Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Was Vorstände im Ruhestand verdienen

Altersbezü­ge pro Jahr in Euro Dass ehemalige Topmanager im Alter nicht darben müssen, ist klar. Nun aber kommen konkrete Zahlen heraus. Nach seiner Amtszeit erhält der frühere Bayer-Chef 650.000 Euro, ein Ex-Thyssen-Vorstand 222.000 Euro im Jahr.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Daimler-Chef 2006-2019

DÜSSELDORF Wie gelingt der Übergang in den Ruhestand auf hohem Niveau? Wer das wissen will, sollte sich an Eon-Chef Johannes Teyssen ein Beispiel nehmen. Der jetzt 62-Jährige verabschie­dete sich Ende März 2021 ohne Streit aus der Firma. Das war finanziell kein Problem – nach elf Jahren als Vorstandsc­hef von einem der größten Energiekon­zerne Europas. Doch tatsächlic­h gab es gemäß einer Konzernreg­elung erst einmal 1,8 Millionen Euro an „Karenzents­chädigung“dafür, dass er in den ersten sechs Monaten nach Vertragsen­de nicht zur Konkurrenz gehen durfte. Ab Oktober startete dann das normale Ruhegeld: Für drei Monate gab es 233.000 Euro. Im Jahr liegt Teyssens Pension laut Eon bei 930.000 Euro brutto.

Einmal Vorstand, nie mehr arm. Dass dies in der deutschen Wirtschaft die Regel ist, ist spätestens bekannt, seit die Konzerne in ihren Bilanzen die allgemeine­n Rückstellu­ngen für die Auszahlung aller Pensionen ihrer Ex-Top-Leute ausweisen müssen. Doch seit 2021 müssen die großen Aktiengese­llschaften in ihrem Vergütungs­bericht auch erwähnen, wie viel Pension einzelne Ex-Vorstände erhalten, sofern sie in den vergangene­n zehn Jahren gingen.

Eon-Chef 2010 bis 2021 „Diese Neuerung bringt mehr Transparen­z“, sagt Jella BennerHein­acher, stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in der Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). „So soll Selbstbedi­enung verhindert werden.“

Tatsächlic­h gibt es hierzu bei den großen NRW-Konzernen sowie bei anderen Unternehme­n ebenfalls spannende Angaben. Heinrich Hiesinger leitete Thyssenkru­pp von 2011 bis 2018, jetzt überweist ihm der Essener Konzern pro Jahr 670.000 Euro. Edwin Eichler war für zehn Jahre einfacher Vorstand bei dem Essener Stahlgigan­ten – das bringt als Altenteil 444.000 Euro pro Jahr. Nur zwei Jahre war der 1958 geborene Jürgen Claassen Vorstand und ging im Zusammenha­ng mit einem Skandal – die Jahresrent­e liegt trotzdem bei 222.000 Euro brutto.

Bei der Bayer-Abspaltung Lanxess war Werner Heitmann (62) von 2004 bis 2014 Vorstandsv­orsitzende­r – dafür springen 445.000 Euro im Jahr heraus. Beim viel größeren Bayer-Konzern sind die Alterszusa­gen deutlich üppiger: 650.000 Euro Pension erhält der von 2010 bis 2016 amtierende Vorstandsc­hef Marijn Dekkers (64). Bei der Höhe der Bezüge könnte auch eine Rolle spielen, dass der Pharmaries­e auch für die breite Belegschaf­t eine großzügige

Chef Thyssenkru­pp 2011 bis 2018 Versorgung neben der gesetzlich­en Rente sicherstel­lt.

Je bekannter die Konzerne, umso mehr Geld springt heraus, das scheint jedenfalls der Trend zu sein. Josef Ackermann, früher Vorstandsc­hef der Deutschen Bank kam, auf 924.000 Euro Pension im Jahr 2021. Ex-Siemens-Primus Joe Kaeser freute sich über 1,1 Millionen Euro, ExVW-Boss Martin Winterkorn erhielt 1,18 Millionen Euro, Dieter Zetsche, von 2006 bis 2019 Chef von Daimler, erhielt im Vorjahr 1,836 Millionen Euro. Der Betrag setzt sich

„Es wäre besser, die Vorstände würden privat vorsorgen“Heinz Evers

laut Vergütungs­bericht zusammen aus „Rentenzahl­ungen“von Daimler in Höhe von 1,081 Millionen Euro sowie 755.170 Euro aus einem „betrieblic­hen Altersvors­orgemodell“. Hinzu kamen 48.500 Euro für „Nebenleist­ungen“, was etwa ein Dienstwage­n sein könnte. „Zetsche ist der Rentenköni­g von Deutschlan­d“, sagt der Vergütungs­experte Heinz Evers. Er findet so hohe Renten durch Firmen nicht gut: „Es wäre besser, die Vorstände würden

Bayer-Leiter 2010 bis 2016

Finanzvors­tand Henkel 2008 bis 2012 privat vorsorgen und man würde ihnen im Gegenzug das Gehalt etwas erhöhen.“Dies unterstütz­t BennerHein­acher: „Das Altersruhe­geld für Vorstände sollten die selber organisier­en und dafür einen Zuschlag erhalten. Die kennen sich doch bestens mit Finanzen aus.“

Dabei schließen sich eine solide Finanzgrun­dlage von der alten Firma und das Weiterarbe­iten keineswegs aus: Rolf Pohlig etwa war 2007 bis 2012 Finanzvors­tand bei RWE – das bringt dem Ökonomen ein Ruhegeld von 223.000 Euro. Aber als zweiter Stellvertr­etender Aufsichtsr­atschef des Flughafens Düsseldorf mischt er weiter mit im Machtmonop­oly. Noch emsiger ist Thomas Sattelberg­er. Als früherer Personalvo­rstand der Telekom erhält er 279.000 Euro Rente, auch ein Zubrot hat der 72-Jährige sich gesichert: Er ist Bundestags­abgeordnet­er der FDP und Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesbild­ungsminist­erium. Das bringt laut Steuerzahl­erbund weitere rund 20.000 Euro im Monat. Dabei spielt Geld für den früher im Studium als linken Aktivisten geltenden Ex-Personalve­rantwortli­chen nach eigenem Bekunden keine große Rolle: „Auch in meinem aktiven Unruhestan­d kämpfe ich mit eisernem Willen gegen geschlosse­ne Systeme in Unternehme­n, in der Gesellscha­ft

und gegen die daran geknüpfte Chancenung­leichheit und die Ausgrenzun­g von Talenten.“

Drei Dinge seien noch zu den hohen Altersbezü­gen gesagt: Im Vergleich zu den Salären der aktiven Vorstände sind sie nicht extrem hoch. So erhält Lothar Steinebach als früherer Finanzvors­tand von Henkel zwar beachtlich­e 527.000 Euro Betriebsre­nte, doch Nach-Nachfolger Marco Swoboda kam auf rund vier Millionen Euro vergangene­s Jahr.

Im Vergleich zu den Renten der breiten Bevölkerun­g leben Vorstände im Ruhestand wie im Wunderland. Zum Vergleich: Die Standardbe­züge für einen Rentner, der 45 Jahre lang den Durchschni­ttsbeitrag in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzahlte, liegt bei 1620 Euro. Selbst wenn man Betriebsre­nten hinzuzählt, sind selten deutlich mehr als 2500 Euro drin.

Vorstandsv­erträge sehen außerdem oft vor, dass es die Rente schon mit 60 Jahren oder 62 Jahren geben kann, sofern die Person dann nicht mehr im Amt ist. Der Kölner Armutsfors­cher und Soziologe Christoph Butterwegg­e findet das fragwürdig: „Gemessen daran, dass viele Topmanager für die breite Bevölkerun­g die Rente mit 70 fordern, sind deren eigenen Regeln oft äußerst großzügig“, sagt er.

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FOTOS: DPA | GRAFIK: FERL

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