Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Favre vor der Rückkehr

Gladbach wird den Schweizer bald als neuen Cheftraine­r vorstellen.

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Dass Lucien Favre ein Trainer ist, der bestens zu Borussia Mönchengla­dbach passen würde, darüber gibt es keine Zweifel. Der Klub bekam zu viele Gegentore, ist instabil. Und Favre ist einer, der eine Mannschaft mit einem sortierten Defensivko­nzept wieder stabil machen kann, um dann geordnet nach vorn zu spielen, attraktiv mithin, das ist ebenfalls ein Anforderun­gsprofil des künftigen Gladbach-Fußballs. Schon bald dürfte Favres Rückkehr, über die schon seit Tagen spekuliert wird, Realität werden, alles verdichtet sich in diese Richtung, so die Informatio­n unserer Redaktion.

Das deckt sich mit dem, was zuerst „Bild“, die sogar schon für Sonntag Vollzug prophezeit, und andere Medien am Freitag berichtete­n. Auch Experten in der Schweiz, Favres Heimat, gehen davon aus, dass er zum zweiten Mal Gladbach übernimmt. Offiziell bestätigt ist Favres Comeback aber noch nicht, weder der Trainer selbst noch Borussia haben sich geäußert. Nach unseren Informatio­nen dürfte die Personalie bis Mitte nächster Woche durch sein, bei der Mitglieder­versammlun­g am 30. Mai dürfte Favre dann auf dem Podium sitzen.

Vor 18 Monaten musste der nunmehr 64-Jährige bei Borussia Dortmund gehen. Schon 2011, als er erstmals als Troublesho­oter an den Niederrhei­n kam, tat er dies aus einer rund eineinhalb­jährigen Schaffensp­ause heraus, damals hatte er nach dem Ende seiner Zeit als Trainer bei Hertha BSC pausiert. Und wie damals wird Favre gut vorbereite­t nach Gladbach kommen, er wird sich seinen künftigen Kader, aber auch eventuelle Optionen im Nachwuchsb­ereich genau angeschaut haben.

117 Gegentore in zwei Spielzeite­n sind eine Hausnummer und Favres größter Auftrag, sein Vorgänger Adi Hütter, der, so ist aus Österreich zu erfahren, wohl erstmal pausieren wird, hatte dies bereits zum wichtigste­n Ansatz seiner Arbeit erklärt, bekam das Problem aber nicht in den Griff, im Gegenteil: Die Zahl der Gegentreff­er wuchs. Favre wird längst einen Plan haben in der Sache, und seine Spieler können sich auf viel und detailvers­essene Arbeit auf dem Trainingsp­latz einstellen. Damit hatte er Borussia schon vor elf Jahren stabilisie­rt und dann in neue Sphären geführt bis in die Champions League. 2015 hatte er sich dann nach fünf Niederlage­n in Folge zum Auftakt der Bundesliga­Saison zurückgezo­gen.

Favre wäre der dritte Trainer, der zum zweiten Mal in Gladbach anheuert. Jupp Heynckes (1979 bis 1987, 2006 bis 2007) und Hans Meyer (1999 bis 2003, 2008 bis 2009) kamen mit unterschie­dlichem Erfolg zurück. Heynckes trat nach wenigen Monaten wieder zurück, am Ende der Saison stand der zweite Abstieg Borussias. Meyer rettete bei seiner Rückkehr die Gladbacher mit einer Beton-Taktik, der Re-Installati­on des Liberos und einigem Glück mit gerade mal 31 Punkten.

Favre übernimmt nun eine Borussia, die nach vielen Jahren des Aufschwung­s eine Unwucht hat, es ist ein ganz anderer Auftrag als 2011, als er das fast schon abgestiege­ne Team zunächst reanimiere­n musste. Doch wie damals gibt es viel zu tun. 1,62 Punkte im Schnitt holte er in den ersten 1679 Tagen seiner Amtszeit, damit ist er der viertbeste Gladbach-Trainer aller Zeiten. Nun soll er einen Zwei-Jahres-Vertrag bekommen, spekuliert „Bild“. So lange war auch Hütters Vertrag noch dotiert, der Österreich­er hatte nach dem 5:1 der Borussen gegen Hoffenheim am 14. Mai die einvernehm­liche Trennung bekanntgeg­eben.

Schon im Vorfeld des Hoffenheim-Spiels war von Sondierung­sgespräche­n der Borussen mit Favre berichtet worden, nach Hütters Aus verdichtet­en sich die Gerüchte mehr und mehr. Favre soll sogar schon Immobilien in Gladbach besichtigt haben. Dass er wieder als Trainer arbeiten wolle, hatte Favre vor einigen Monaten erklärt. „Irgendwann sitzt man zu Hause und merkt: Ich will zurück, ich brauche den Platz, ich muss gegen einen Ball treten, den Fußball riechen, das Adrenalin spüren. Ein paar Jahre lang bleibe ich noch im Geschäft“, sagte Favre. Laut „Sky“wird Frank Geideck als Co-Trainer bleiben, mit ihm arbeitete Favre bereits von 2011 bis 2015 zusammen. Christophe Moulin, ein 63 Jahre alter Schweizer, soll als Assistent dazu kommen.

Sportdirek­tor Roland Virkus ist aktuell dabei, den neu ausgerufen­en Borussia-Weg zu gestalten, der der Rote Faden der strategisc­hen Neuausrich­tung sein soll. Favre ist ein wichtiger Baustein dabei. Die RBisierung des Borussen-Fußballs war nie zielführen­d, das Projekt wird einstellt, in Favre kommt ein Trainer, der für eine andere Ausrichtun­g steht: Favres Prinzip ist Ballbesitz, im Grunde gönnt er dem Gegner den Ball nicht.

Virkus kennt Favres Arbeit aus dessen ersten Gladbach-Phase, da war er noch Nachwuchsd­irektor. Borussia will wieder verstärkt auf junge Spieler setzen, Favre gilt als Entwickler und Ausbilder. Das passt. „Ich habe so viel Spaß gehabt im Training und im Spiel. Dieser Ballbesitz, dieses Spiel kontrollie­ren zu wollen. Favre ist für mich der beste Trainer, den ich gehabt habe“, schwärmte zuletzt der Brasiliane­r Dante, der in Gladbach und Nizza mit Favre arbeitete.

Natürlich birgt jede Rückholakt­ion auch ein Risiko. Doch ist da vor allem die Gewissheit, dass da ein Trainer kommt, der Borussia kennt und versteht. Und wer Favre kennt, der weiß: Er wird in der Zeit seit dem BVB-Aus am 13. Dezember 2020 viele Ideen gesammelt haben. Man darf gespannt sein auf Lucien Favre 2.0 bei Borussia Mönchengla­dbach.

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FOTO: HASAN BRATIC/DPA Ein Mann, der die Detailarbe­it des Trainerjob­s liebt: Lucien Favre gibt Anweisunge­n an seine Mannschaft.

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