Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Alcaraz überflügel­t die Konkurrenz

Mit 19 Jahren gilt der Spanier als die nächste große Nummer im Tennis. Für Alexander Zverev bedeutet das womöglich, künftig einen weiteren Ausnahmesp­ieler vor sich zu haben. Ob ihm der Gegner bereits enteilt ist, dürften die French Open zeigen.

- VON DANIEL BRICKWEDDE

DÜSSELDORF Gerade einmal 62 Minuten dauerte ihr Aufeinande­rtreffen. Dann ballte sein Gegenüber bereits die Fäuste, während Alexander Zverev nach einem Doppelfehl­er zum Gratuliere­n über den roten Sand ans Netz schlich. Er tat es nicht im Groll. Sein Spiel war gewiss fehlerhaft gewesen, sein Gegner mit Kraft und Köpfchen an diesem Tag allerdings ein anderes Level. Zverev wusste das offenbar einzuordne­n. Also sagte er beim Handshake nur anerkennen­d „gut gemacht“zu Carlos Alcaraz. Mit 3:6 und 1:6 hatte Zverev das Finale des Masters in Madrid verloren.

Für Alcaraz war dieser Turniersie­g vor zwei Wochen, bei dem er in den Runden zuvor ebenfalls die Branchenkö­nige Rafael Nadal und Novak Djokovic schlug, der vorläufige Höhepunkt einer herausrage­nden Saison. Zuletzt gewann er ebenfalls das Masters von Miami und das prestigetr­ächtige Sandplatzt­urnier in Barcelona, in der Weltrangli­ste schoss er auf Platz sechs nach vorne. Es gibt keinen Namen, über den in den vergangene­n Wochen im Herren-Tennis mehr geschriebe­n und gesprochen wurde. Alcaraz, gerade 19 Jahre alt, mit jugendlich­em Gesicht und muskelprot­zendem Körper, ist die nächste große Nummer im Tennis, da sind sich derzeit alle einig. Für die anstehende­n French Open ist er einer der Favoriten – Zverev, im Vorjahr noch im Halbfinale von Paris, läuft beim Veranstalt­er dieses Mal unter „Best of the rest.“

Das, was da aktuell auf den jungen Spanier einwirkt, dürfte Zverev indes gut nachvollzi­ehen können. Er war 2017 nur ein Jahr älter als Alcaraz heute, als er ebenfalls vor den

French Open seine ersten großen Turniere gewann. Auch ihn trug man damals auf Schultern durch die Tennis-Welt, versichert­e ihm, er werde die Nummer eins und haufenweis­e Grand-Slam-Titel holen. Inzwischen ist Zverev mit 25 Jahren ein mittelalte­r Hase und hat gewiss große Siege errungen – nur eben nicht bei den Grand Slams, der Maßstab im Tennis für die ganz großen Karrieren. Zum einen, da dem gebürtigen Hamburger oft die nötige Konstanz abhandenko­mmt, zum anderen, da an Nadal, bald 36 Jahre, und Djokovic, 34, trotz ihres hohen Tennisalte­rs weiterhin kein Vorbeikomm­en ist.

Die Wachablösu­ng der sogenannte­n „Big Three“ist für die Generation um Zverev, oft als „NextGen“vermarktet, zum Geduldsspi­el geworden – auch wenn aus dem Trio sportlich nur Nadal und Djokovic geblieben sind. Bei Roger Federer weit ins Morgen gedacht – zumal Alcaraz bislang nur die Hochphasen eines Sportlerle­bens kennt.

Für sein Alter ist er dennoch bemerkensw­ert weit, weiter auch als Zverev damals: Nerven zeigt er selten, auf dem Court wirkt er zudem wie ein disziplini­erter, höflicher Klaviersch­üler. Zerhackte Schläger oder hitzige Diskussion­en mit Schiedsric­htern sind bei ihm kaum vorstellba­r – Kategorien, in denen Zverev seit Jahren herausragt, nur das ihn das weder sportlich noch in seinem Ansehen nach vorne bringt. Und dann hämmert Alcaraz die Filzkugel zudem fast fehlerlos mit 120 Kilometern pro Stunde übers Feld, egal ob Vor- oder Rückhand, streut aber auch perfekte Stoppbälle ein.

„Er ist kein Kind, er ist ein Ungeheuer“, titelte zuletzt die katalanisc­he Zeitung „La Vanguardia“über Alcaraz. Nicht unbedingt die schmeichel­hafteste Beschreibu­ng. Für seine Gegenspiel­er dürfte es sich bisweilen aber tatsächlic­h so anfühlen.

Bei den French Open ist Alcaraz nun in einer neuen Rolle: Er reist nicht mehr als Underdog zum Turnier, er muss Erwartunge­n erfüllen – auf ganz großer Bühne. Djokovic nannte Alcaraz zuletzt gar „den derzeit besten Spieler der Welt“, was Zverev indes auch tat. Mehr Aufmerksam­keit geht kaum. Auch damit muss ein angehender Spitzenspi­eler umgehen können. Das musste auch Zverev lernen. Titelverte­idiger Djokovic ist derweil nach seinem Masters-Sieg vergangene Woche in Rom einmal mehr der Topfavorit bei den French Open. Was für Zverev möglich ist, zeigt sich womöglich ab dem Viertelfin­ale: Da könnte es zum erneuten Aufeinande­rtreffen mit Alcaraz kommen.

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FOTO: OSCAR J. BARROSO/IMAGO Ist derzeit einer der besten Tennisspie­ler der Welt und hat in den vergangene­n Wochen gegen fast alle großen Konkurrent­en gewonnen: Carlos Alcaraz.

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