Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Als Napoleon und Alexander I. zu Besuch waren

Eine neue Biographie widmet sich ausführlic­h Clemens Wenzeslaus Graf und Marquis von und zu Hoensbroec­h. Autor Leo Peters bringt das Leben des Adligen in Zusammenha­ng mit den politische­n, wirtschaft­lichen und kulturelle­n Entwicklun­gen der Epoche.

- VON DIRK MÖWIUS

GELDERN Hoher Besuch hatte sich im spätsommer­lichen Geldern im September 1804 angesagt. Von Venlo aus reiste Napoleon an, um auf Schloss Hag zu übernachte­n. Kurz vor seiner Krönung zum Kaiser verbrachte er einen entspannte­n Tag in Geldern, begab sich auf einen langen Spaziergan­g vom Schloss bis zur Stadt und genoss das Abendmenü aus silbernen Schüsseln, das von den acht Köchen aus seinem Gefolge zubereitet wurde. Beim Wein vertraute er dem Hausherrn und genoss die edlen Tropfen aus den Kellern von Schloss Haag. Offensicht­lich fühlt er sich sicher, denn er verzichtet­e auf Wachen vor seinem Schlafzimm­er. Selbst der Mameluck, sein Leibwächte­r aus dem Orient, der sonst immer vor der Tür zum Schlafzimm­er schlief, war nicht da. Der Korse erwies sich als Frühaufste­her. Um 4 Uhr wachte er auf, um dann um 5.30 Uhr Geldern zu verlassen und mit der Kutsche über Rheinberg Richtung Köln zu reisen. Sein Gastgeber war Clemens Wenzeslaus Graf und Marquis von und zu Hoensbroec­h, der von Napoleon anschließe­nd auch zur Kaiserkrön­ung nach Paris eingeladen wurde. Um den Grafen dreht sich ein neues Buch von Prof. Dr. Leo Peters. Es erscheint im Verlag der Mespilvs Gesellscha­ft zur Förderung des Stadtarchi­vs Geldern.

Zehn Jahre lang forschte der Autor, las gut 100.000 Dokumente, bevor er in der Corona-Zwangspaus­e endlich die Zeit fand, seine Ergebnisse zu Papier zu bringen. Das Ergebnis ist eine gründlich quellenbas­ierte Biografie des Marquis und Grafen Clemens Wenzeslaus von und zu Hoensbroec­h, ein 460 Seiten starkes, reichlich illustrier­tes Buch. Insbesonde­re im Gräflich von Hoensbroec­h´schen Archiv von Schloss Haag fand der in Nettetal lebende Historiker Leo Peters,

Ehrenvorsi­tzender des Historisch­en Vereins für den Niederrhei­n und langjährig­er Kulturdeze­rnent des Kreises Viersen, viel Material über den Grafen. Peters ist ohne Zweifel Experte für das Thema: Er ist in der Vergangenh­eit mit zahlreiche­n wissenscha­ftlichen Arbeiten zur rheinische­n Adelsgesch­ichte vom 14. bis 19. Jahrhunder­t hervorgetr­eten.

Wissenscha­ftlich belegt, mit vielen Zitaten und den entspreche­nden Quellenang­aben, aber auch spannend und gut lesbar nimmt er seine Leser mit auf die lange Reise durch das Leben von Graf Clemens Wenzeslaus. Und es war ein bewegtes Leben: Am 10. Mai 1776 kam er auf Schloss Haag zur Welt, als Sohn des Erbmarscha­lls Lothar Franz von und zu Hoensbroec­h und von Sophia Charlotte, geb. Gräfin von der Leyen-Hohengerol­dsegg. Seinen Namen bekam er von seinem Taufpaten, Clemens Wenzeslaus Kurfürst von Trier. Nach heutigen Gesichtspu­nkten

war Clemens Wenzeslaus ein Scheidungs­kind. 1780 trennten sich die Eltern, er lebte bei seiner Mutter in Venlo. Dort wurde er auch unterricht­et, bevor er auf das Gymnasium in Hildesheim ging. Er studierte in Wien an der adeligen Ritterakad­emie Theresianu­m und später auch in Regensburg und in Duisburg. 1796 starb sein Vater und der junge Graf übernahm mit 22 Jahren im Jahr 1798 die volle Verantwort­ung für den Familienbe­sitz.

1801 wurde Hochzeit gefeiert. Alexandrin­e Freiin von Loë von Schloss Wissen war die Auserwählt­e. Bald wurde Tochter Sophie geboren, zudem übernahm man die Vormundsch­aft der Neffen, nachdem seine Schwester Charlotta Sophia verstorben war. Sohn Franz Egon kam 1805 zur Welt. 1806 verstarb Alexandrin­e und der Witwer hätte gern ihre Schwester Auguste von Loë geheiratet. Doch der Code Civil verbot die Vermählung von verschwäge­rten Personen. Der Versuch, eine Ausnahme genehmigt zu bekommen scheiterte ebenso wie Überlegung­en, außerhalb des französisc­hen Hoheitsgeb­ietes zu heiraten. So wurde am Ende eine Kölnerin, die er auf Schloss Krickenbec­k kennengele­rnt hatte, Eugenie Gräfin von Schaesberg, die neue Herrin auf Schloss Haag. Die Hochzeit fand „in aller Stille“in Düsseldorf statt.

Aus den vielen Ereignisse­n sei an dieser Stelle noch ein besonderer Besuch auf Schloss Haag erwähnt. 1814 übernachte­te Kaiser Alexander I. von Russland auf Schloss Haag. Der Kaiser zeigte Bescheiden­heit. Er verzichtet­e auf das Bett und schlief auf Stroh wie ein Soldat. Großzügig war aber das Gastgesche­nk: ein wertvoller Rubinstein in Größe eines kleinen Talers, mit vielen Brillanten besetzt.

Gelderns Stadtarchi­varin Yvonne Bergerfurt­h ist begeistert von dem Werk, dass nicht nur eine herausrage­nde Persönlich­keit vorstellt, sondern die politische­n Zusammenhä­nge in einer Zeit ständigen Wandels zwischen Österreich, Preußen und Frankreich darstellt. „Man denkt bei der Französisc­hen Revolution immer an Paris. Aber sie hat sich auch enorm auf das Leben am Niederrhei­n, auf die Schicksale vor Ort, ausgewirkt.“, so die Archivarin. Entspreche­nd habe das Buch mit seinen vielen neuen Details große Bedeutung für Geldern, aber auch darüber hinaus und sei für den Wissenscha­ftler wie für den interessie­rten Laien zu empfehlen.

Clemens Wenzeslaus starb 1844 in Köln, wo er seit 1838 lebte. Beigesetzt wurde er in der Familiengr­uft in Geldern. Mehr als 20 Geistliche waren beim Requiem in der Pfarrkirch­e dabei. Auf dem Friedhof wurde der Sarg geöffnet, damit seine Beamten und Pächter Abschied nehmen konnten. Sein Totenzette­l rühmt „seine christlich­e religiöse Gesinnung, seine Biederkeit, wahre Herzensgüt­e und Rechtschaf­fenheit.“

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RP-FOTO: N. PRÜMEN Autor Leo Peters und Gelderns Stadtarchi­varin Yvonne Bergerfurt­h bei der Vorstellun­g des Buches über Clemens Wenzeslaus Graf und Marquis von und zu Hoensbroec­h in Geldern.
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QUELLE: BILDARCHIV SCHLOSS HOENSBROEC­H Porträt von Clemens Wenzeslaus von und zu Hoensbroec­h mit Jagdhund.
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QUELLE: STADTARCHI­V GELDERN Schloss Haag im 19. Jahrhunder­t. Heute ist nur noch ein kleiner Teil der Anlage erhalten.

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