Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Ich war im Büro und hatte ein schlechtes Gewissen“
Herr Soethof, Ihr neues Buch heißt „Väter können das auch“. Was genau meinen Sie damit, was können Väter auch?
FABIAN SOETHOF Ich meine damit, dass Väter im Grunde alles können, was Mütter schon immer machen. Windeln wechseln, mit dem Baby spazieren gehen – all diese Beispiele für häusliche Care-Arbeit und Mental Load. Was im gleichen Maße wichtig ist: Sie können dafür sorgen, in der Öffentlichkeit und in der Arbeitswelt mehr als Väter wahrgenommen zu werden. Es ist in der Regel so – und das ist leider nicht nur ein Klischee –, dass Männer höchstens zwei Monate Elternzeit nehmen und dann wieder im Büro sitzen. Wenn eine Frau das machen würde, würde sie mindestens schief angeschaut. Auch wenn viele behaupten, wir würden gleichberechtigt leben, tun wir das noch lange nicht.
Und wie kommen wir dahin?
SOETHOF Natürlich müsste sich politisch einiges ändern. Aber zumindest im Privaten haben wir alle die Möglichkeiten, schneller etwas zu bewegen: Eltern können sich im Vorfeld der Geburt überlegen, wie sie sich die Care-Arbeit aufteilen wollen, und so verhindern, in traditionelles Fahrwasser zu rutschen. Leider gibt es noch immer den Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Und sie wird größer, sobald Frauen Kinder bekommen haben, weil Väter noch immer die Ernährerrolle übernehmen. Dieses Privileg sollten Männer sich bewusst machen und sich dann gemeinsam mit ihrer Partnerin fragen: Möchten wir was ändern? Und wenn ja, wie können wir das angehen? Ich habe zum Beispiel selbst länger Elternzeit genommen und bin seit 2017 dauerhaft in Teilzeit. Seitdem ist unser Alltag zwar nicht total entspannt, aber zumindest gleichberechtigter.
Vieles von dem, was Sie schreiben, predigen Feministinnen schon lange. Haben Sie Bedenken, dass Ihr Buch als Mansplaining aufgefasst wird?
SOETHOF Ja, damit habe ich auch beim Schreiben gehadert. Aber nach vielen Gesprächen mit Freund*innen und Bekannten bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es leider total wichtig ist, als Mann Position zu beziehen. Wer Teil eines Problems ist, muss auch Teil der Lösung sein. Und ich befürchte, dass viele Männer eher mir als Frauen zuhören.
Sie sind selbst Vater von zwei Söhnen im Alter von acht und fünf Jahren. Würden Sie sagen, dass Sie in Ihrer Vaterrolle schon immer gleichberechtigt mitgedacht haben?
SOETHOF Nein, so ehrlich muss ich sein. Beim ersten Kind war es so: Wenn ich mal eine Idee hatte oder versucht habe mitzudenken, hatte meine Frau den Gedanken schon drei Wochen zuvor. Das führte natürlich zu Streit. Ich habe mich aber nicht darauf ausgeruht und gedacht: Meine Frau kann es ja sowieso besser, sondern ich habe ihr zugehört und daraus gelernt. Natürlich bekommen Frauen die Kinder. Aber alles, was danach kommt – Pflege, Bindung, Beziehungsaufbau, sich kümmern – das können Männer genauso. Auch wenn es hart sein kann, bestehende Rollenbilder zu durchbrechen.
Väter haben es also auch schwer?
SOETHOF Na ja, sie stehen nun an dem Punkt, an dem Frauen schon vor Jahrzehnten standen: Kinder oder Karriere? Sie müssen sich jetzt nicht nur der vielfachen Erwartungshaltungen bewusst werden, sondern auch damit umgehen und Kompromisse finden, mit denen alle halbwegs glücklich sind. Mir ging es in Vollzeit auch so: Ich war im Büro und hatte ein schlechtes Gewissen, weil meine Frau mit den Kindern alleine zu Hause war. Wenn ich dann zu Hause war, hatte ich im Kopf: Mist, ich habe noch Dinge für die Arbeit zu erledigen. Das sind Situationen, vor denen viele stehen. Aber es ist eben immer noch nicht selbstverständlich, dass Männer sich beruflich zurücknehmen.
Würden Sie denn sagen, dass Sie heute das leben, wozu Sie in „Väter können das auch“aufrufen?
SOETHOF Ich versuche es zumindest. Wahrscheinlich werde ich mit der Zeit ein paar Dinge noch einmal anders machen, aber vieles funktioniert. Ich sitze nicht bis abends 19 Uhr im Büro und sehe die Kinder nur zum Gute-Nacht-Sagen. Und meine Frau ist auch nicht die Einzige, die weiß, wann es wieder zum Kinderarzt geht oder wer neue Schuhe braucht. Das teilen wir uns gut auf.
Sie beschreiben in Ihrem Buch auch, wie Sie selbst aufgewachsen sind. Was hat ihr eigener Vater Ihnen vorgelebt?
SOETHOF Ich bin bei meiner Mutter und meiner Oma in Nieukerk im Kreis Kleve aufgewachsen; Tante, Onkel und Cousine wohnten auch mit im Haus. Meinen Vater habe ich nur am Wochenende gesehen, aber wir haben uns immer gut verstanden. Das ist heute noch so. Was mir aber im Nachhinein aufgefallen ist: Er hat sich selten um mich alleine gekümmert. Und ich glaube, er hat auch niemals mir oder meinem Halbbruder die Windeln gewechselt. Er war wohl das, was man gemeinhin als einen „abwesenden Vater“bezeichnen würde. Ging um 6 Uhr morgens in die Firma, kam abends um 18 oder 19 Uhr nach Hause und sitzt heute oft auch am Wochenende im Büro und schreibt seine Rechnungen. Ich habe das nie als negativ empfunden, weil immer jemand da war. Aber