Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Auf der Suche nach dem echten Florida
Der Sunshine State ist das Zuhause von Mickey Mouse und zieht seit vielen Jahren Scharen von Touristen an. Hat der Staat auch noch Authentisches zu bieten INFO
Die Motoren heulen. Oben von der Tribüne aus haben die Zuschauer einen ausgezeichneten Blick auf die Wagen, die sich entlang des Daytona International Speedways schlängeln. Das Gelände der Rennstrecke ist groß, so wie eigentlich alles in Florida. Wer eine Tour mitmacht, besucht den Presseraum und kann dort Platz nehmen, wo sonst Rennfahrergrößen Journalisten Rede und Antwort stehen. Die Ausstellung – ebenfalls riesig – zeigt massenweise Fahrzeuge wie zum Beispiel den Hudson Hornet. Hier wird die Geschichte der Rennen in Daytona, die früher mal über den Strand führten, mit vielen Details dokumentiert. Noch heute gibt es an der Ostküste Floridas viele Strände, auf die man mit dem Wagen – vorzugsweise einem Pickup – fahren kann. Aber ist das jetzt das echte, authentische Florida? Gibt es in dem Staat, in dem Disney World gegen andere Freizeitparks um Aufmerksamkeit buhlt, dem Staat, den 2019 mehr als 100 Millionen Touristen besuchten, überhaupt noch Authentisches oder nur noch Mickey Mouse?
Wer weg von großer Show und Superlativen will, muss suchen. Aber es gibt sie, diese Orte, an denen das Gefühl aufblitzt, das echte Florida zu sehen. Zum Beispiel im Crabby Joes, einem Restaurant auf dem Pier in Daytona Beach. Hier gehen die Einheimischen frühstücken, zwischen Holzdielen sieht man das Meer, weiter den Pier entlang wird die Angel ausgeworfen. Der Fang wird nach Wunsch angebraten.
Etwa eine halbe Stunde Fahrzeit südlich von Daytona Beach liegt das Ponce Inlet Lighthouse, mit 175 Metern der größte Leuchtturm Floridas. 203 Stufen führen nach oben, von wo aus der Atlantik, Daytona Beach und das Ponce de Leon Inlet, dieser verflixte Meeresarm, dessen Strömungen so tückisch sind, dass er mehreren Menschen das Leben gekostet hat, zu sehen sind. Als der spanische Konquistador Juan Ponce de Leon 1513 Florida entdeckte, ging er hier nicht an Land.
Strömung hin, Strömung her – es gibt genug Boote, die trotzdem unterwegs sind, Urlauber können Eco-Touren buchen und hoffen, zwischen den Mangroven, die am Ufer gedeihen, einen Delfin zu entdecken. Auch ohne Delfin lohnt sich die Bootsfahrt. Dort, wo der Meeresarm beginnt, kann man vom ruhigen Gewässer aus das Schäumen des Atlantiks beobachten, entlang des Inlets die Häuser begutachten, die direkt am Wasser stehen, und sich vorstellen, selbst hier Domizil zu beziehen. Schließlich ist Florida ein Einwandererstaat. Echte Floridianer, die mehrere Generationen hier verbracht haben, trifft man selten. Dafür hat jeder eine Geschichte, wie es ihn hierhin verschlagen hat.
Der Entdecker Floridas, Ponce de Leon, soll 1513 in St. Augustine, etwa 70 Meilen nördlich vom Ponce de Leon Inlet, zum ersten Mal Fuß auf amerikanisches Land gesetzt haben. Die Stadt selbst feiert ihre für amerikanische Verhältnisse lange Geschichte. Am Fort Matanzas wird relativ nüchtern von den blutigen Kämpfen zwischen Spaniern und Hugenotten berichtet (Matanzas bedeutet übersetzt so viel wie Massaker), wer doch ein bisschen mehr Mickey Mouse will, findet in der Innenstadt Gelegenheit, eine Tour zu buchen, um mehr über die älteste durchgehend besiedelte Stadt der USA zu erfahren. Besonders hoch im Kurs: Die Geister-Touren. Denn auch, wenn man Florida nicht unbedingt damit assoziiert: Wir befinden uns hier in den Südstaaten, wo extrem süßer Eistee getrunken und von merkwürdigen Begebenheiten berichtet wird. Geister sind allgegenwärtig. Wer Spuk möchte, findet ihn in Ripley’s
Odditorium. Das Kurositätenmuseum, das früher mal ein Hotel war, hat selbst eine düstere Vergangenheit. Ripley’s ist mittlerweile selbst ein Franchise-Unternehmen, aber was soll’s? Das Museum in St. Augustine ist das älteste.
Neben Spuk und alter Architektur bietet die Stadt einen Jungbrunnen. Den soll Ponce de Leon damals entdeckt haben. Wer probiert, weiß: Das vermeintliche Geheimnis ewiger Jugend schmeckt nach Schwefel.
Ursprünglicher als St. Augustine kann Florida wahrscheinlich nicht werden, wenn es um die Geschichte geht. Auf den Europäer kann die Show um Ponce de Leon an jeder Ecke aber doch ein bisschen viel werden. Also reist er am besten noch ein Stück weiter die
Küste hinauf bis nach Amelia Island. Das Motto der Insel lautet „Make Memories“, auch hier ist der Tourismus wichtig, aber irgendwie wirkt es doch alles ein bisschen echter als die Shows in Daytona Beach und St. Augustine. Hier sollen und können Besucher entspannen. Darunter zum Beispiel Autor John Grisham, der hier regelmäßig zu Besuch ist und der Insel in Nassau County sogar ein Buch mit dem Titel „Camino Island“gewidmet haben soll. Ab und an hält er Lesungen in der kleinen Buchhandlung in der 11.000-Einwohner-Hauptstadt der Insel, Fernandina Beach. Sie ist einen Besuch wert, ebenso wie die anderen Geschäfte entlang der Centre Street. Ladenketten sind auf der Insel verboten, deshalb hat hier alles seinen ganz persönlichen Charakter.
Die Redaktion wurde von Visit Florida zu der Reise eingeladen.