Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Mieter fürchten hohe Nachzahlungen
Die Kosten für Strom, Gas und Öl sind in NRW binnen Jahresfrist um 38 Prozent gestiegen. Der Verband Haus & Grund rät, einvernehmlich die Abschlagszahlungen zu erhöhen. Der Mieterbund fordert doppelt so viel Heizkostenzuschuss.
DÜSSELDORF Hauseigentümer und Mieter müssen sich auf steigende Preise und hohe Nachzahlungen für Strom und Heizung einstellen. „Wir steuern sehenden Auges auf deutlich höhere Energiekosten zu, die auch von den Mietenden zu tragen sind. Nachzahlungen sind unumgänglich, falls sich Mieter und Vermieter nicht auf eine Anpassung der Vorauszahlungen einigen“, sagte Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland-Westfalen. Im April lagen die Energiekosten für Haushalte bereits um 38 Prozent höher als vor einem Jahr, so das Landesamt IT NRW. Gas verteuerte sich dabei gegenüber dem Vorjahr um 34,1 Prozent, Heizöl sogar um 74,1 Prozent. Der Krieg gegen die Ukraine, Sorgen vor einem russischen Lieferstopp und die CO2-Abgabe treiben die Preise.
Der Eigentümerverband fürchtet, dass viele Mieter die Nachzahlungen nicht tragen können: „Es ist zu befürchten, dass es zu Mietschulden kommen wird. Konsequenz können Kündigungen sein“, so Amaya. Er rät daher Vermietern und Mietern, das Gespräch zu suchen, um die Vorauszahlungen zu erhöhen. Eigenmächtig dürfen Vermieter dies nicht tun. „Vermieter dürfen die monatlichen Abschläge nicht einfach von sich aus anpassen, auch wenn offensichtlich ist, dass die Kosten dieses Jahr massiv steigen. In vielen Fällen wäre eine Einigung zwischen Mietern und Vermietern sicher im Interesse beider Seiten“, so der Verbandschef. Er betonte: „Die privaten Vermieter haben während der Corona-Krise gezeigt, dass sie den Mietern in besonderen Situationen Mietsenkungen oder Stundungen anbieten.“
Auch der Deutsche Mieterbund (DMB) ist alarmiert: Man rechne mit massiv steigenden Heizkosten und hohen Nachzahlungen, sagte NRW-Geschäftsführer André Juffern. Die genaue Höhe hänge vom Verbrauchsverhalten und dem energetischen Zustand der Wohnung ab. Stiftung Warentest erwartet, dass die Nachzahlung, die 2023 für das laufende Jahr fällig wird, für viele Mieter „satt vierstellig“ausfällt – also über 1000 Euro liegen wird. Der Wohnungskonzern Vonovia rechnet damit, dass Mieter Nachzahlungen in einer Größenordnung bis zu zwei Monatsmieten schultern müssen.
Der Mieterbund fordert nun eine stärkere Unterstützung durch den Staat. „Vor allem für Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen,
die zugleich öfter in schlecht isolierten Wohnungen leben, wird eine größere Entlastung benötigt“, sagte Juffern. Das Energiepaket der Bundesregierung federe dies nur zum Teil ab. Der DMB-Chef fordert: „Der Heizkostenzuschuss muss mindestens verdoppelt werden.“Zudem müsse der Staat bei Beziehern von Grundsicherung und Arbeitslosengeld II die realen Heizkosten übernehmen.
Die Bundesregierung will bislang den 1,6 Millionen Wohngeld-Empfängern einen einmaligen Zuschuss von 270 Euro (Single-Haushalt) und den rund 500.000 Empfängern von Bafög oder Ausbildungsbeihilfe 230 Euro gewähren. Das Geld soll im Sommer ausgezahlt und automatisch überwiesen werden.
Auch Haus & Grund fordert mehr staatliche Hilfe. „Es steht zu befürchten, dass sich die Preise weiter erhöhen. Bund und Land haben die Möglichkeit, Steuern und Abgaben zu senken oder aber Energiekostenzuschüsse für bedürftige Mieter einzuplanen“, so Amaya.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW ) fordert, aus dem einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger einen dauerhaften zu machen. „Sinnvoll erscheint die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente im Wohngeld“, sagte IW-Forscher Ralph Henger. Das habe es 2009 und 2010 gegeben, als die Energiepreise kurzfristig gestiegen waren. Zugleich warnte Henger davor, die von Jahr zu Jahr steigende CO2-Abgabe auszusetzen. Dann sinke für Eigentümer der Anreiz, in die energetische Gebäudesanierung zu investieren.
Der Mieterbund geht davon aus, dass in einer unsanierten Wohnung durch die Klimaabgabe im Jahr 2025 Mehrkosten von 238 Euro bei Gas und 350 Euro bei Heizöl anfallen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) haben nun ein Stufenmodell vorgelegt, nach dem sich Vermieter und Mieter die Klimaabgabe teilen sollen. Bislang muss der Mieter sie allein tragen.