Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Gegenwind für Macron
HINTERGRUND Ohne eine Mehrheit in der Nationalversammlung kann der französische Präsident seine Gesetze nicht durchbringen. Die linken Kräfte haben sich vor der Wahl verbündet. Die Opposition wird deutlich stärker werden.
Im Juni wird das französische Parlament neu gewählt. In der neuen Nationalversammlung dürfte sich eine starke Opposition gegen den Staatspräsidenten Emmanuel Macron bilden. Wir erklären die Besonderheiten der Wahl.
Wer wird gewählt Am 12. und 19. Juni werden alle 577 Abgeordneten der ersten Parlamentskammer, der Nationalversammlung, neu bestimmt. Dabei wird entschieden, ob der im April wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron eine Mehrheit bekommt, mit der er seine Gesetze durchbringen kann. Seine Partei La République en Marche dominierte zusammen mit ihren Verbündeten bisher die Assemblée Nationale. Die Abgeordneten amtieren wie das Staatsoberhaupt fünf Jahre lang.
Im künftigen Parlament dürften die Extremisten so zahlreich vertreten sein wie noch nie
Wie verläuft die Wahl Die Wahl verläuft in zwei Wahlgängen. In die zweite Runde kommt, wer mehr als 50 Prozent der Stimmen von mehr als 25 Prozent aller Wahlberechtigten erhält. Ein solches Ergebnis ist allerdings äußerst selten. Deshalb gilt eine zweite Regel: Alle Bewerberinnen und Bewerber mit mehr als 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschriebenen Wähler ziehen in die Stichwahl ein, die dann der- oder diejenige mit den meisten Stimmen gewinnt. Um zu verhindern, dass ihre Kandidatinnen und Kandidaten an dieser 12,5-Prozent-Hürde scheitern, haben sich die Linksparteien vorab zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Die Linksaußenpartei La France Insoumise, Sozialisten, Grüne und Kommunisten treten als Neue Ökologische und Soziale Volksunion (Nupes) an. Der Chef von La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, kündigte bereits an, im Falle eines Nupes-Wahlsieges französischer Premierminister werden zu wollen.
Wer wird gewinnen Erste Umfragen sagen der Präsidentenpartei, die sich vergangene Woche in Renaissance (Wiedergeburt) umbenannte, und ihren Verbündeten eine Mehrheit von 310 bis 350 Sitzen voraus. Allerdings dürfte die Opposition deutlich stärker werden: Die linke Volksallianz Nupes könnte laut dem Meinungsforschungsinstitut Opinionway 135 bis 164 Sitze bekommen. Schwieriger dürfte es für den rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen werden. Zwar schaffte Le Pen in der Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Macron ein Rekordergebnis von 41,5 Prozent. Doch in den Wahlkreisen ist ihre Partei nach wie vor schwach. Prognosen sagen der 53-Jährigen, die selbst im nordfranzösischen Hénin-Beaumont antritt, 20 bis 40 Sitze voraus. Für Le Pen wäre das ein Fortschritt, nachdem sie in der alten Nationalversammlung nur sieben Abgeordnete stellte. Im neuen Parlament könnte ihre Partei Fraktionsstatus erreichen, der bei 15 Abgeordneten liegt. Nur noch 50 bis 70 Sitze werden den Konservativen prognostiziert, von denen einige Abgeordnete zu Macron überwechselten. 2017 hatte die bisher stärkste Oppositionspartei noch 117 Sitze gewonnen.
Was bedeutet die Wahl für Emmanuel
Macron Seit die Parlamentswahl direkt nach der Präsidentschaftswahl stattfindet und nicht mehr zeitversetzt, bekommt der Präsident in der Nationalversammlung immer eine Mehrheit. Eine „Kohabitation“, also ein Zusammenleben zwischen einem Präsidenten und einem Premierminister, die verschiedenen Parteien angehören, gab es seit 20 Jahren nicht mehr. Mélenchon hatte die Parlamentswahl zum „dritten Gang“der Präsidentschaftswahl erklärt und dazu aufgerufen, Macrons Macht durch einen Sieg seines Bündnisses zu brechen. Dazu dürfte es zwar nicht kommen. Der Präsident muss aber mit starkem Gegenwind aus der Nationalversammlung rechnen, denn die Extremisten am linken und rechten Rand dürften so zahlreich vertreten sein wie noch nie.
Gibt es eine zweite Parlamentskammer
Neben der Nationalversammlung gibt es noch den Senat, der die Gemeinden Frankreichs vertritt. Er wird im Gegensatz zur Assemblée Nationale nicht direkt gewählt, sondern durch eine Wahlversammlung aus Abgeordneten und Gemeindevertretern. Jeweils die Hälfte der Senatorinnen und Senatoren wird alle drei Jahre neu bestimmt. In den vergangenen fünf Jahren war der konservativ dominierte Senat ein Korrektiv zur Nationalversammlung, die den Initiativen Macrons meist blind folgte. Die zweite Parlamentskammer arbeitete Affären wie die um Macrons Leibwächter Alexandre Benalla auf und änderte Gesetzentwürfe der Regierung zum Teil deutlich. In Gesetzgebungsverfahren hat aber die Nationalversammlung das letzte Wort. Unabdingbar ist der Senat dagegen bei Verfassungsänderungen. Der Präsident kann solche Einschnitte nur mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit in beiden Kammern durchsetzen.
Wie soll die Wahl zur Nationalversamm
lung reformiert werden Das Mehrheitswahlrecht, das Präsident Charles de Gaulle eingeführt hatte, sorgte in den vergangenen Jahren für stabile Mehrheiten. Allerdings ergab sich dadurch in der Nationalversammlung ein verzerrtes Abbild der Parteienlandschaft: Le Pen, die vor fünf Jahren in der Stichwahl um das Präsidentenamt 34 Prozent der Stimmen erhalten hatte, war eben nur mit sieben Abgeordneten vertreten. Macron wollte das Wahlrecht ändern und bereits in seiner ersten Amtszeit einen Teil der Abgeordneten durch Verhältniswahlrecht bestimmen lassen. Doch der Senat stoppte die Reformpläne des Präsidenten, der nun einen neuen Anlauf machen könnte.