Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Schlacht um unsere Daten
Was wir online tun, bleibt nicht unbeobachtet. Das Recht hilft nur bedingt.
Genau ein Jahr ist es her, dass Apple seine Ankündigung wahrmachte und einer Multimilliarden-Dollar-Industrie den Krieg erklärte. Mit Einführung der App Tracking Transparency (ATT) stellt der iPhone-Konzern seit Mai 2021 seine Kunden beim Öffnen einer neuen App vor die Wahl: Darf eine App die Aktivitäten ihrer Nutzer quer durch das Internet erfassen, also auch, wenn die jeweilige App gerade nicht benutzt wird?
Der Überwachungskapitalismus aus dem Netz kennt keine Grenzen. Nichts, was wir online tun, bleibt unbeobachtet. Ein Doktorandenteam aus den USA hat 22.484 pornografische Webseiten untersucht und ermittelt, dass 93 Prozent von ihnen Tracker einsetzen. 74 Prozent der Webseiten
sendeten Nutzerdaten heimlich an Google, immerhin zehn Prozent der Porno-Tracker stammten von Facebook.
Zwar hat die EU mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor vier Jahren ein wegweisendes und international viel beachtetes Gesetzeswerk geschaffen, das den Verbrauchern die Hoheit über ihre eigenen Daten ermöglichen soll. Doch was nutzen Gesetze, wenn die Einhaltung nicht überprüft wird und sogar massive Verstöße kaum geahndet werden? Es sagt viel über den Zustand der Politik, dass ausgerechnet Apple, ein Industriegigant mit höchst eigener Agenda, jetzt die Rolle des staatlichen Regulierers übernimmt und das tut, wozu Washington und Brüssel offensichtlich nicht mehr in der Lage sind: dem systematischen Abfischen von sensiblen Nutzerdaten einen Riegel vorzuschieben.
Wie hilflos staatliche Institutionen gegenüber diesen mächtigen MegaKonzernen sind, zeigt ein aktueller Rechtsstreit. Anfang Mai hatte Facebook das Bundeskartellamt vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt.
Der IT-Riese behauptet, die Bonner Behörde sei für die Kontrolle von Facebook nicht zuständig und habe mit ihren Ermittlungen gegen das Unternehmen ihre Kompetenzen überschritten. Dabei beruft sich Facebook ausgerechnet auf die EU-Datenschutzgrundverordnung.
Unser Autor ist Blogger und Digitalexperte. Er wechselt sich hier mit der Start-up-Gründerin Felicia Kufferath ab.