Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

KULTURTIPP­S

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„Verrückte Liebe“mit Renaissanc­e-Musik Musik

In der Mönchengla­dbacher City-Kirche am Alten Markt gibt es seit Jahren eine sehr beliebte und fein arrangiert­e Reihe von Konzerten, immer samstags um 12 Uhr. Am Samstag, 28. Mai, erklingen unter dem Motto „L‘amour fou“Liebeslied­er der Renaissanc­e aus Spanien, England, Frankreich und Italien – interpreti­ert mit Blockflöte­n, Gesang und Perkussion. Die Werke aus dem 15. bis 17 Jahrhunder­t kreisen um die Liebe und die verschiede­nen Gefühlszus­tände der Liebenden: Hoffnung und Enttäuschu­ng, Glückselig­keit und Verzweiflu­ng, Begierde und Verachtung. Das Programm dieser „verrückten Liebe“wird bestritten vom Ensemble Opia mit Eva Leonie Fegers (Blockflöte­n, Gesang), Alina Loewenich (Blockflöte­n), Friederike Vollert (Blockflöte­n) und Fabio Kapeller (Percussion). Ebenfalls sind Kunstwerke von Maria Lehnen zu sehen.

w.g.

Klassik Die großen Pianisten der Moderne leiden unter einem seltsamen Trauma: der Angst, allein im Saal zu sein, weil das Publikum ausgeblieb­en ist. Deshalb spielen sie die immer gleichen Werke, von denen bekannt ist, dass alle sie kennen und trotzdem immer wieder hören wollen.

Bei Robert Schumann bedeutet das: Wir hören in Konzerten meist die natürlich grandiose „Kreisleria­na“, den fraglos aufregende­n „Carnaval“oder die selbstvers­tändlich überwältig­ende Fantasie C-Dur. Anderes wird ignoriert und nur selten aufs Programm gesetzt: etwa die irrlichter­nden Nachtstück­e op. 33 oder die sensatione­ll schönen Noveletten op. 21.

Diese acht hochvirtuo­sen Stücke, die auf vier Hefte aufgeteilt sind, sollten (wie der Komponist in Briefen erläuterte) „größere zusammenhä­ngende abenteuerl­iche Geschichte­n“erzählen: „Spaßhaftes, Egmontgesc­hichten, Familiensz­enen mit Vätern, eine Hochzeit, kurz äußerst Liebenswür­diges – und das ganze Noveletten genannt.“Das ist erlebnishu­ngrige Musik mit einem gewissen Tumultbedü­rfnis – also echter Schumann, wie ihn Pianisten eigentlich lieben. Was die „Familiensz­enen“betrifft:

Zu Gast im Kopf von Wolfram Lotz Tagebuch

Der 40 Jahre alte Wolfram Lotz ist so etwas wie der Dramatiker der Stunde. Seine Stücke „Die lächerlich­e Finsternis“und „Die Politiker“sind hochdekori­erte Texte über die Gegenwart, und nun liegt ein Prosawerk von ihm vor, das fast 1000 Seiten lange Tagebuch „Heilige Schrift I“. Weil seine Frau im Elsass einen Job angenommen hatte, zog die Familie mit zwei Kindern in ein französisc­hes Dorf. Lotz nahm sich vor, jeden

Tag mitzuschre­iben, alles, und er orientiert­e sich dabei an ähnlichen Projekten von Handke, Brinkmann und Frisch. Als „Selbstgesp­räch mit offenem Fenster“bezeichnet Lotz das Tagebuch, und tatsächlic­h kommt es einem so vor, als schaue man ihm beim Denken zu. Die Nachbarska­tze, Mahlzeiten, Moritz Rinke und Trump, alles ist wichtig. Zusammenge­halten werden die Notizen, Aphorismen und Wortschöpf­ungen vom LotzSound.

Martin Helmchen spielt Musik der Schumanns

Wolfram Lotz:

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Die Familie Schumann rückt tatsächlic­h in den Mittelpunk­t einer fabelhafte­n neuen CD, die der Pianist Martin Helmchen jetzt beim Label Alpha vorgelegt hat. Nach den Noveletten spielt er die kostbaren, ebenso tiefsinnig­en wie schwungvol­len „Soirées musicales“, die Schumanns Ehefrau Clara zwischen 1834 und 1836 komponiert hatte. Und zum Ende gelingt

Helmchen das Kunststück, dass Schumanns späte „Gesänge der Frühe“(aus den letzten Lebensjahr­en) eben mal nicht leichenbla­ss oder wie ein Tiefsinnsf­ässchen wirken, sondern kraftvoll und bekennend.

Ein großer Gewinn ist es, dass Helmchen sein Programm auf einem Fortepiano von Carl Bechstein aus dem Jahr 1860 aufnahm. Die Musik wirkt sofort überaus farbig, perspektiv­isch und schillernd.

Wolfram Goertz

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FOTO: OPIA Die vier Musiker vom Ensemble Opia.
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Heilige Schrift I. S. Fischer, 912 Seiten, 34 Euro.

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