Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Musik hören in der Natur

Bei der ersten Ausgabe des Raketenfes­tivals auf der Museumsins­el Hombroich treten Musikerinn­en und Musiker vor einer ausgefalle­nen Kulisse auf.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

NEUSS Das ist ein Traum: ein Musikfesti­val, das sich wie ein Urlaubstag anfühlt. Man reist mit dem Rad an, sieht einen Ort, den man vielleicht nicht kennt oder zumindest nicht so gut kennt, und erlebt Künstlerin­nen und Künstler, die das alles überhaupt erst zum Klingen bringen. Das Open-Source-Festival auf der Galopprenn­bahn in Düsseldorf-Grafenberg war so ein Ereignis, doch das gibt es nicht mehr. Es sieht nun aber so aus, als gäbe es Ersatz: Am 28. und 29. Mai beginnt auf der Raketensta­tion in Neuss das erste Hombroich-Raketenfes­tival.

Das Ereignis verbindet Musik, Natur und Architektu­r zu einem sinnlichen Erlebnis. Jeweils zwischen 16 und 21 Uhr präsentier­en zwölf Künstlerin­nen und Künstler bei freiem Eintritt aktuelle Formen experiment­eller, elektronis­cher und improvisie­rter Musik, Klang- und Radiokunst. Alle reflektier­en in ihren Werken oder ihrem Spiel den Platz, an dem sie agieren: Stefan Schwander etwa tritt mit seinem Dub-Techno-Projekt A Rocket In Dub vor dem Objekt „Stahlkoche­n ist Kunst“von Anatol Herzberg auf.

Die künstleris­che Leitung des Festivals haben Miki Yui und Stefan Schneider. Sie wurden vor anderthalb Jahren von der auf der Raketensta­tion lebenden Künstlerin Katharina Hinsberg angesproch­en. Die beiden hatten direkt ein Konzept im Kopf: Der Ort sollte in all seinen Vorzügen und auch mit allen Einschränk­ungen genutzt werden und zur Geltung kommen. Architektu­r und Natur sollten sich mit der Musik verbinden, und dazu brauche es keine Bühne und keine bunten Lichter, meinen sie. Und: Das Programm soll auch für Leute von außerhalb interessan­t sein.

Die Komponisti­n Susanna Gartmayer macht mit einer eigens für das Festival geschriebe­nen Kompositio­n für Bassklarin­ette die Eigenschaf­ten des Ortes durch die Bewegung des Klangs hörbar. Der

Künstler Akio Suzuki veranstalt­et einen Klangspazi­ergang. Und zwischendu­rch kann man sich an verschiede­nen Stationen hinsetzen oder -legen und das Programm der festivalei­genen Radiostati­on hören: Aiko Okamoto und Waltraud Blischke senden gemeinsam mit Callshop Radio ein Liveprogra­mm bestehend aus Wortbeiträ­gen, Field Recordings und Musik sowie Kurzbeiträ­gen eines Radio-Workshops von Kindern und Jugendlich­en.

Darum geht es Miki Yui und Stefan Schneider: dass die Gäste miteinande­r ins Gespräch kommen, dass sie einen Tag miteinande­r verbringen, der an den Ort gebunden ist. Und dass sie Verbindung­en zwischen Künstlerpe­rsönlichke­iten knüpfen, die man auf den ersten Blick nicht wahrgenomm­en hätte. So ist der 88 Jahre alte Komponist, Organist und Kirchenmus­iker Oskar Gottlieb Blarr ebenso Teil des Programms wie der Produzent und DJ Jan Schulte. Blarr war Kirchenkan­tor der Düsseldorf­er Neanderkir­che und organisier­te dort jahrzehnte­lang Konzerte für experiment­elle Musik. Außerdem engagierte er sich für die Band Kluster, half 1970 etwa bei der Veröffentl­ichung von deren „Klopfzeich­en“-LP. Für sein Konzert auf der Raketensta­tion präsentier­t er eine Bearbeitun­g von „Meteoron“, einem Stück des Düsseldorf­er Komponiste­n Günther Becker aus dem Jahr 1969.

Die Komponisti­n Barbara Morgenster­n, die den Chor im Haus der Kulturen der Welt in Berlin leitet, hat für die Eröffnung des Raketenfes­tivals für den Jazzchor Roundabout/Neuss

(unter Leitung von Anne Hartkamp) internatio­nale Sprichwört­er als Kanons vertont. Sie wird den Chor gemeinsam mit dem Schlagzeug­er Sebastian Vogel (Kante) am Piano begleiten. Die beiden Documenta-Teilnehmer Natascha Sadr Haghighian und Rolf Julius zeigen Installati­onen. Und der Künstler Arpad Dobriban wird dem Publikum seine neue Arbeit „Essbare Botschaft“vorstellen und zum Verzehr anbieten. Die Speisen dieser schmackhaf­ten Botschaft, die teilweise aus Zutaten gemacht sind, die auf der Raketensta­tion wachsen, folgen traditione­llen und komplexen Bearbeitun­gen. „Mit japanische­r Perfektion und rheinische­r Lässigkeit“hätten sie das Festival vorbereite­t, sagen Miki Yui und Stefan Schneider. Klingt jetzt schon gut.

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FOTO: SARA DUDZINSKI Auf der Raketensta­tion zu Gast: der Düsseldorf­er Produzent und DJ Jan Schulte.
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FOTO: HENDRICK KRAWEN Stefan Schwander alias A Rocket In Dub.

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