Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Brief an die neue Schulminis­terin

DIE LEHRER-KOLUMNE

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Sehr geehrte Frau Schulminis­terin in spe,

herzlichen „Glück“-Wunsch zu Ihrer anstehende­n Ernennung! Glück ist sicher das, was Sie nun neben vielen anderen Kompetenze­n auch benötigen. Denn das Ministeriu­m, dem Sie vorstehen werden, verlangt einem schon einiges und vor allem auch vieles ab, was unvorherse­hbar ist.

Wenn Sie künftig Schulen besuchen, werden Sie feststelle­n, dass viele Lehrerinne­n und Lehrer engagiert und mit viel Herzblut ihrem Beruf nachgehen. Aber machen Sie bitte nicht einen Fehler: Lassen Sie sich nicht blenden von dem Eindruck, den Ihnen sogenannte Vorzeigesc­hulen mit „Musterproj­ekten“oder Schulen, die sich bestens auf Ihren Besuch präpariert haben, präsentier­en. Denn das entspricht nicht unbedingt dem, wie es Tag für Tag an unseren Schulen zugeht.

Mein Ratschlag: Seien Sie unabhängig von bildungspo­litischen Ideologien und machen Sie sich frei von Empfehlung­en, die Ihnen vorab die Ministeria­lbürokrati­e und die Schulaufsi­cht mit auf den Weg geben! Gehen Sie zuallerers­t an die Basis, nämlich an die Schulen selbst. Sprechen Sie mit Schulleite­rn, die bei dünner Personalde­cke Krankheits­ausfälle und Schwangers­chaften zu kompensier­en haben. Informiere­n Sie sich an Brennpunkt­schulen, woran es konkret bei der Inklusion und bei der Integratio­n von Kindern mit Migrations­hintergrun­d mangelt. Fragen Sie nach, wo in den letzten Jahren der bürokratis­che Aufwand für die Schulleitu­ng und jeden Lehrer mehr und mehr geworden ist, sodass Unterricht und pädagogisc­he Arbeit leiden. Lassen Sie sich in eher maroden Schulgebäu­den nicht nur die modernisie­rten Räumlichke­iten mit viel Hightech zeigen, sondern auch die Räume, die man bei einem Tag der offenen Tür weniger gerne offen stehen hat. Gönnen Sie sich dabei auch mal einen Blick in eine klassische Schultoile­tte! Schenken Sie vor allem auch Schülern Ihr Ohr. Denn um sie geht es ja schließlic­h.

Sie kennen das Zitat von Hermann Hesse: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“Wir Lehrer sind gespannt und freuen uns auf die Zusammenar­beit! Mit freundlich­em Gruß

Ewald Hülk

Ewald Hülk unterricht­et als Studiendir­ektor die Fächer Französisc­h und Biologie am Berufskoll­eg Liebfrauen­schule in Geldern.

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FOTO: HÜLK

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