Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Verdacht auf Affenpocken in Köln
Mehrere Fälle in Deutschland sind bestätigt – nun gibt es ein erstes mögliches Vorkommen in NRW. In Düsseldorf wird Entwarnung gegeben. Minister Lauterbach kündigt harte Maßnahmen an. Ärzte raten zu Schutzvorkehrungen.
DÜSSELDORF Die Affenpocken erreichen Nordrhein-Westfalen. In Köln gebe es einen „begründeten Verdachtsfall auf Affenpocken“, teilte das NRW-Gesundheitsministerium am Montag mit. „Die medizinische Diagnostik wird durchgeführt. Derzeit ist davon auszugehen, dass auch diese Person in Zusammenhang mit dem vermuteten Ausbruch auf Gran Canaria in Kontakt gestanden hat“, sagte der Sprecher von Minister Karl-Josef Laumann (CDU).
Der erste Fall war am Freitag in München bekannt geworden; in Berlin wurden drei Infektionen festgestellt. Am Montag wurden Fälle aus Baden-Württemberg und SachsenAnhalt gemeldet. Der Münchner Patient habe sich zuvor in Düsseldorf aufgehalten, die Behörde in München habe aber ermittelt, dass dieser Aufenthalt vor der Ansteckung stattfand, sagte eine Sprecherin der Stadt Düsseldorf: „Die Ansteckung ist erst bei einem Zwischenstopp auf der Weiterreise nach München erfolgt.“
Laumanns Sprecher beruhigte: „Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung wird nach derzeitigen Erkenntnissen vom Robert-Koch-Institut als gering eingeschätzt.“Hintergrund der in Deutschland bislang bekannt gewordenen Fälle seien Party-Veranstaltungen, bei denen es zu sexuellen Handlungen gekommen sei.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte sich dagegen alarmiert: „Der weltweite Ausbruch ist so ungewöhnlich, dass wir uns Sorgen machen müssen, ob er so abläuft wie frühere Affenpocken-Ausbrüche“, sagte der SPD-Politiker. Man müsse jetzt schnell und hart reagieren, um einen globalen Ausbruch einzudämmen. Das RKI ruft schwule Männer zu Wachsamkeit auf. Bei „ungewöhnlichen Hautveränderungen“sollten diese sich unverzüglich untersuchen lassen.
Lauterbach erwartet weitere Fälle. An diesem Dienstag soll es Empfehlungen zur Quarantäne geben. Es würden auch Vorbereitungen für die Beschaffung von Impfstoffen getroffen. Dabei soll es um gefährdete Personen gehen: „Eine Impfung der allgemeinen Bevölkerung ist hier nicht im Gespräch.“
NRW sieht sich auf einen Ausbruch vorbereitet: „In allen Regierungsbezirken stehen Kliniken mit spezialisierter infektiologischer Kompetenz zur Verfügung“, so Laumanns Sprecher. Es gebe prinzipiell viele geeignete Isolierstationen. Affenpocken sind meldepflichtig; die Infizierten müssen sich in Quarantäne. Die Gesundheitsämter übernehmen die Kontaktnachverfolgung. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein weist auf Unterschiede zu Corona hin: „Aktuell wird davon ausgegangen, dass für eine mögliche Übertragung der Affenpocken zuvor enger Körperkontakt bestanden haben muss.“Gleichwohl rät die KV Bürgern zur Vorsicht: „Mit Blick auf die noch immer laufende Corona-Pandemie empfehlen wir für die kommenden Wochen grundsätzlich, die bewährten grundlegenden Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen – dazu zählen Abstand, Tragen einer medizinischen Schutzmaske, Niesetikette, Händehygiene. Diese Maßnahmen gelten prinzipiell auch beim Thema Affenpocken.“
Der Bund hat laut Lauterbach 100 Millionen Dosen Pocken-Impfstoff eingelagert, wovon zwei Millionen an die Weltgesundheitsorganisation gespendet und für sie gelagert werden. „Inwieweit eine Pockenimpfung für Kontaktpersonen und Risikogruppen empfohlen wird, ist noch Gegenstand der fachlichen Abklärung“, erklärte Lauterbachs Ministerium. Eine Pockenimpfung schütze vermutlich auch vor Affenpocken. In der Bundesrepublik war die Pockenimpfung bis 1975 für einjährige Kinder Pflicht, in der DDR wurde die Impfpflicht 1982 aufgehoben. Wer danach geboren wurde, hat diesen Schutz nicht.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnt hingegen vor Panikmache. „Die Politik sollte ihre Erregungskurve herunterfahren“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen: „Die Erkrankung ist unerfreulich, nimmt aber meist einen harmlosen Verlauf.“Zudem gebe es keinen idealen Impfstoff. Der Impfstoff gegen Pocken habe oft Nebenwirkungen, darunter Herzmuskelentzündungen. Bei einer von 3000 Impfungen sei es zu „unerwünschten Ereignissen“gekommen. Der Schutz gegen eine Pockeninfektion liege bei 85 Prozent, hieß es.