Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Zeitenwend­e auch in Afrika

Kanzler Olaf Scholz hat das erste Mal deutsche Truppen im Ausland besucht.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

TILLIA Die Aussicht ist bedrückend. Die Wüste Nigers erstreckt sich in unendliche­n Weiten beim Blick aus dem Cockpit. Das ist allerdings auch das Einzige, was für einen Moment vergessen lässt, dass man sich an Bord eines Militärtra­nsporters befindet und Soldaten im hinteren Teil der Maschine in Flecktarn mit Maschinenp­istolen den Ausstieg der Delegation vorbereite­n. Ziel ist ein Gelände nahe der Stadt Tillia im Niger. Auf dem Militärstü­tzpunkt bildet unter anderem eine Handvoll deutscher Kampfschwi­mmer der Marine nigrische Spezialkrä­fte für den Kampf gegen den islamistis­chen Terror aus.

Kanzler Olaf Scholz besucht nach gut fünf Monaten im Amt das erste Mal deutsche Soldaten im Ausland. Der SPD-Politiker steigt in Poloshirt und Stoffhose aus dem Militärtra­nsporter. „Die Bundeswehr leistet hier Außerorden­tliches und hat hier auch Außerorden­tliches unter sehr schwierige­n Bedingunge­n zustande gebracht“, sagt er. Es gehe darum, dass die nigrischen Streitkräf­te selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können. Er spricht von einem „sehr erfolgreic­hem Mandat, das aber auch gefährlich ist“. An der seit 2018 laufenden Mission „Gazelle“, die zum EU-Ausbildung­seinsatz EUTM gehört, sind nach Angaben des Einsatzfüh­rungskomma­ndos etwa 200 deutsche Soldaten beteiligt. Zwischen zwölf und 15 Frauen sind darunter.

Die „Zeitenwend­e“, die Scholz Ende Februar im Bundestag ausrief, erlebt er hier vor Ort, sieht die Notwendigk­eit einer guten Ausstattun­g der Bundeswehr. Scholz hatte bislang nicht viel zu tun mit Militär; den Wehrdienst hat er verweigert. Eine Entscheidu­ng, so sagte er es neulich, die er mittlerwei­le anders treffen würde. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sich alles verändert – auch in Scholz‘ politische­m Leben.

Der Bundestag hatte erst am Freitag die beiden Mandate für die Einsätze der Bundeswehr in Mali und Niger für ein Jahr verlängert. Die deutsche Beteiligun­g an dem UNStabilis­ierungsein­satz Minusma in Mali wird ausgebaut mit einer Obergrenze von jetzt 1400 Soldatinne­n und Soldaten statt bisher von 1100.

Die Beteiligun­g der Bundeswehr an dem europäisch­en Ausbildung­seinsatz EUTM wiederum soll künftig vor allem auf Niger konzentrie­rt werden.

Hat man noch eine Chance gegen den islamistis­chen Terror, der sich vor allem in Mali und seinen Grenzgebie­ten ausbreitet? Im Niger zumindest, so sagen es Sicherheit­sexperten, hat man den Terror bislang zurückgedr­ängt. Von der Bundesregi­erung wird das arme Land als „Anker der Stabilität“gesehen. Die demokratis­ch gewählte Regierung fährt einen prowestlic­hen Kurs. Sie hat sich klar gegen eine Zusammenar­beit mit Russland ausgesproc­hen.

Während Scholz in Afrika reist, halten ihm Kritiker daheim vor, die Ukraine im Kampf gegen Russland nicht ausreichen­d zu unterstütz­en. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewette­r sagte in einer Talkshow: „Ich befürchte, dass der Bundeskanz­ler nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Gewinnt in dem Sinne, dass die russischen Truppen aus dem Land getrieben werden.“

Scholz hatte zuletzt betont: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen.“Man erlebt in diesen Tagen einen Kanzler, der mit sich und seiner Linie im Reinen scheint. Kritik, dass er nicht nach Kiew, sondern nach Afrika gereist ist, lässt er nicht gelten. Er hält Deutschlan­ds Linie – in Abstimmung mit den Verbündete­n – für die richtige. Eine Änderung des Kurses wird von Afrika als Signal nicht ausgehen.

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FOTO: DPA Kanzler Olaf Scholz im Transportf­lugzeug der Bundeswehr.

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