Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Harry Styles gießt den Sommer in Bernstein

Der 28-Jährige vermischt auf seinem dritten Soloalbum Stile und Traditione­n auf unwiderste­hliche Weise.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Diese Platte möge im Sommer bitte überall zu hören sein, an Stränden und in Bussen, sie ist nämlich so verspielt, gescheit und heiter, dass sie die Welt ein bisschen besser machen kann. „Harry’s House“heißt sie, der 28 Jahre alte Harry Styles hat sie veröffentl­icht, und der ist ja gerade so etwas wie der Mann der Stunde, jedenfalls trägt niemand sonst eine pinke Federboa und schwarz lackierte Fingernäge­l mit so viel Grandezza zu einem gelb karierten Tweedsakko.

Harry Styles wurde in der britischen Castingsho­w „The X Factor“entdeckt. Er verbrachte die Jahre zwischen seinem 16. und 22. Geburtstag in der sensatione­ll erfolgreic­hen Boyband One Direction, und auf seinem dritten Soloalbum erfindet er den Pop zwar nicht neu, aber er vermischt Stile, Zitate und

Traditione­n mit solcher Eleganz, dass das Ergebnis im besten Sinne überzeitli­ch wirkt. Die 13 Stücke muten denn auch schon bei Erscheinen wie in Bernstein verschloss­en an.

Der Albumtitel zitiert das 1975 erschienen­e Lied „Harry’s House / Centerpiec­e“der von Styles verehrten Joni Mitchell. In „Daylight“wird die Atmosphäre zu bunter und psychedeli­sch schimmernd­er Zuckerwatt­e verdichtet, man muss an Tame Impala denken. Eines der tollsten Stücke. „Daydreamin­g“, klingt, als habe es Paul McCartney für eines seiner ersten Soloalben komponiert. Styles holt sich Bläsersekt­ionen aus dem Funk, er schmeichel­t wie ein Soulsänger und lässt den Synthesize­r zum Tanz aufspielen. Die Produktion ist auf eine derart lässige Weise virtuos, wie man es von Steely-DanPlatten kennt. Zwischendu­rch federt Melancholi­e den euphorisch­en Cocktailki­rschen-Pop ab, dann gibt es empfindsam­e Balladen wie die Charakters­tudie „Matilda“.

Harry Styles weiß, dass es im Pop nicht nur ums Hören geht, sondern mindestens ebenso ums Schauen und Spüren, und seine altmodisch­e Zeitgenoss­enschaft hat tatsächlic­h etwas Vibrierend­es. Das schützt ihn indes nicht davor, dass „Harry’s House“an manchen Stellen allzu poliert ist, bisweilen gar kalkuliert anmutet. Die Sprecherst­immen in seinen Liedern sind oft vor der Zeit weise gewordene Bedenkentr­äger mit psychologi­schen Grundkennt­nissen. In „Boyfriends“etwa haftet ihm etwas Altväterli­ches an, „Boyfriends / Are they just pretending?“, dabei würde man doch viel lieber gesagt bekommen: Geh, wohin dein Herz dich trägt.

Macht aber nichts, sind Kleinigkei­ten. Harry Styles trägt den Sommer im Herzen, darum geht es Ende Mai, und in diesem Mai erst recht.

Harry Styles weiß, dass es im Pop auch ums Schauen und Spüren geht

 ?? FOTO: DPA ?? Harry Styles veröffentl­ichte soeben sein Album „Harry‘s House“.
FOTO: DPA Harry Styles veröffentl­ichte soeben sein Album „Harry‘s House“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany