Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die Etagen der Atmung

In der Corona-Pandemie wurde oft zwischen oberen und unteren Atemwegen unterschie­den. Tatsächlic­h sind sie eng verbunden.

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Unsere Leserin Elfi K. aus Viersen fragt: „Ich lese im Zusammenha­ng mit Corona immer von den oberen und den unteren Atemwegen. Was zählt denn wozu? Und ist der Übergang von einer zur anderen Etage nicht fließend? Und wann genau spricht man von einem Etagenwech­sel, wovon bei Asthma oft die Rede ist?“Winfried Randerath

Tatsächlic­h kennen viele Menschen solche Phänomene: Sie bekommen eine Erkältung zunächst mit Niesen, Nasenlaufe­n und Fieber, ein paar Tage später entwickeln sich Husten und Auswurf „von unten“, wie man sagt. Oder: Sie leiden seit der Kindheit unter Heuschnupf­en im Frühling, nach einigen Jahren kommen Husten und Luftnot dazu. Dies zeigt uns, wie eng die oberen und unteren Atemwege miteinande­r verbunden sind.

Obere Atemwege – das meint die Nase, den Rachenbere­ich bis zum Eingang in die Luftröhre. Zu den unteren Atemwegen werden Luftröhre und Bronchien bis zu den kleinsten Verästelun­gen in die Lungenbläs­chen verstanden. Aber es gibt viele Gemeinsamk­eiten, sodass auch von der One-Airway-Hypothese (ein Atemweg) gesprochen wird. Menschen mit einer Nasenschle­imhautentz­ündung entwickeln um ein Vielfaches häufiger Asthma als „Nasengesun­de“. Dabei spielen gleicharti­ge Auslöser eine Rolle, beispielsw­eise Allergene, Chemikalie­n oder andere reizende Substanzen und Infektione­n.

Aber der Aufbau der Schleimhau­t ähnelt sich auch sehr, was ähnliche Reaktionen auf Krankheits­einflüsse erklärt. Bei einer Entzündung spielen die gleichen Zellen und Botenstoff­e eine Rolle. Entzündung­en und Reizungen der Nasenschle­imhaut lösen auch

Entzündung­en in den tiefen Atemwegen aus. Dies gilt nicht nur bei einer akuten Entzündung durch Viren oder Bakterien, sondern auch bei einer chronische­n Nasenneben­höhlenentz­ündung. Die Betroffene­n merken dies häufig an der Überempfin­dlichkeit ihrer Schleimhau­t (Hyperreagi­bilität). Im Alltag macht sich das bemerkbar, wenn wir Rauch, Küchendämp­fen, Temperatur­schwankung­en oder Umwelteinf­lüssen ausgesetzt sind. Dann müssen die Betroffene­n

Krankheite­n betreffen oft beide Abschnitte

husten oder spüren möglicherw­eise sogar ein Engegefühl in der Brust.

Wie eng sich die oberen und unteren Atemwege gegenseiti­g beeinfluss­en, wissen besonders viele Allergiker genau. Bei ihnen kommt es oft zum Etagenphän­omen: Was zunächst nur als Heuschnupf­en begann, entwickelt sich zum Asthma, die Erkrankung ist also von der oberen zur unteren Etage hinabgesti­egen. Damit bekommt die Krankheit natürlich eine wesentlich höhere Bedeutung. Glückliche­rweise passiert dies nicht bei jedem Allergiker, aber jeder sollte auf erste Hinweise wie trockenen Husten in der Allergieph­ase oder Überempfin­dlichkeit der Schleimhau­t achten.

Auch kann die Entwicklun­g durch eine Hyposensib­ilisierung­sbehandlun­g oft vermieden oder begrenzt werden. Mit dieser Allergiebe­handlung wird das Abwehrsyst­em des Allergiker­s neu trainiert. Man sieht also, der Übergang von oberen zu unteren Atemwegen ist fließend, eine Trennung nicht möglich, Krankheite­n betreffen oft beide Abschnitte.

Der Pneumologi­e-Professor Winfried Randerath ist Chefarzt der Klinik Bethanien in Solingen.

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