Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Das Flüssiggas-Dilemma
Robert Habeck schloss den LNG-Deal mit Katar. Dessen Anlage in Texas soll 2024 liefern. In Davos kämpft der Grüne für ein Öl-Embargo.
DAVOS/BERLIN Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) macht Druck, damit Deutschland unabhängig von russischen Energielieferungen wird. Beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos wirbt er für ein rasches ÖlEmbargo der EU. Zugleich muss er den Flüssiggas-Deal mit Katar verteidigen.
Rezessionsgefahr
In Davos warnte Habeck vor einer globalen Rezession. Diese Gefahr sehe er, sollte man vier aktuelle Krisen nicht in den Griff bekommen, so der Vizekanzler. Konkret nannte er hohe Inflation in vielen Ländern, eine Energiekrise, Lebensmittelknappheit und die Klimakrise. Angetrieben und beschleunigt werde die derzeitige Entwicklung vom russischen Krieg in der Ukraine: „Wir können die Probleme nicht lösen, wenn wir uns nur auf eins der Probleme konzentrieren“, warnte Habeck: „Wenn aber keins der Probleme gelöst wird, dann sorge ich mich wirklich davor, dass wir uns in eine globale Rezession hineinbewegen.“Diese hätte gravierende Auswirkungen nicht nur auf den Klimaschutz, sondern auf die globale Stabilität insgesamt. Wenn ein Teil der Welt im kommenden Jahr Hunger leide, dann gehe es nicht nur um diesen Teil, was schon schlimm genug sei, sondern um weltweite Stabilität, sagte Habeck.
Energiepläne
Habeck betonte in Davos, es gehe bei der Unabhängigkeit von russischen Energieexporten um ungewöhnlich schnelle Prozesse. Er warnte Ungarn vor einer Blockade des von der EU geplanten Öl-Embargos. Ungarn ist stärker als andere EU-Länder von russischem Öl abhängig. Habeck verteidigte zugleich den Bau von Infrastruktur für Flüssiggas („Liquefied Natural Gas“, LNG). Feste Terminals und Schiffe vor Nordseehäfen sollen als Speicher und zur Rückumwandlung des LNG in die Gasform dienen. Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits Widerstand angekündigt; unter anderem sieht sie den Schweinswal bedroht und kritisiert Gas als fossile Energie. Habeck macht in Davos seinen Standpunkt klar: Sich um die Energieversorgungssicherheit zu kümmern, sei kein Widerspruch zum größeren Ziel der Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Wenn jetzt die Produktion fossiler Brennstoffe erhöht werde und es mehr Kohlekraftwerke gebe, dann werde es mehr Schwierigkeiten in der Zukunft geben, mahnte er.
Herkunft des Flüssiggases
Habeck hat unlängst mit Katar die Lieferung von Flüssiggas vereinbart. Das soll rasch russisches Gas ersetzen, um die Abhängigkeit von Putin zu beenden. Bis zum Ukraine-Krieg hatten die Grünen den Import abgelehnt, da dessen Gewinnung mit Umweltzerstörung einhergeht. In den USA etwa wird Flüssiggas per Fracking gewonnen – einer Technologie, die viel Wasser benötigt und als Gefahr für das Grundwasser gilt. Das LNG, das Katar liefern will, soll teilweise auch aus den USA kommen. „Wir wollen unsere US-Flüssiggasanlage ,Golden Pass‘ in Texas, an der Qatar Energy 70 Prozent hält, bereits 2024 so weit haben, dass wir nach Deutschland liefern können“, hatte der Vizepremier des Golfstaats, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, dem „Handelsblatt“gesagt.
Klimabilanz von Flüssiggas
Deutschland will aus strategischen Gründen rasch auf russisches Gas verzichten. Doch welche Umweltbelastungen kauft es sich damit ein? Zur problematischen Gewinnung kommt die Klimabelastung. Auch Gas ist ein fossiler Brennstoff, bei dessen Verstromung Kohlendioxid (CO2) entsteht, wenn auch weniger als bei Steinkohle und noch weniger als bei der von Braunkohle. Der Lobbyverband „Zukunft Gas“weist darauf hin, dass dies auch bei Berücksichtigung der gesamten Produktionskette gilt: „Kohlekraftwerke erzeugen wegen des Brennstoffs, aber auch aufgrund ihrer im Vergleich zu Gaskraftwerken deutlich schlechteren Wirkungsgrade deutlich höhere CO2-Emissionen“, erklärte der Verband. So hätten Gaskraftwerke einen Wirkungsgrad von 49,2 Prozent, bei Steinkohle sind es 43,8 Prozent, bei Braunkohle 39,4 Prozent: „Damit entstehen sowohl durch LNG aus Katar als auch durch LNG aus den USA inklusive der Vorkettenemissionen deutlich geringere Emissionen als durch Braun- oder Steinkohle.“Der Wechsel („Fuel Switch“) von Kohle zu Gas vermindere in jedem Fall die Treibhausgasemissionen. Zudem brauche Deutschland das Gas nicht nur für den Strom, sondern vor allem als Vorprodukt für die Industrie.