Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Integrationskurse für Flüchtlinge sind knapp
Um sich in Deutschland besser zurechtzufinden, können Flüchtlinge aus der Ukraine an Sprach- und Orientierungskursen teilnehmen. In Geldern kommt es allerdings schon zu längeren Wartezeiten. Und nicht jeder, der möchte, darf solche Kurse anbieten.
GELDERN Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind mehr als 600.000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland als Flüchtlinge registriert worden. Das geht aus einer Auswertung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von Anfang Mai hervor. Wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unserer Redaktion mitgeteilt hat, nehme die Zahl der Menschen, die täglich zu uns kommen, zwar langsam ab. Trotzdem bleibe es eine große humanitäre Kraftanstrengung, die geflüchteten Frauen, Kinder und alten Menschen bestmöglich zu versorgen, sagte sie.
Auch wenn Tausende Ukrainer mittlerweile wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, der Großteil bleibt hier in Sicherheit. Zumindest vorläufig. So lange, bis sich die Lage in der Ukraine wieder entspannt hat. Nur dass keiner sagen kann, wie lange das dauern wird. Davon ist auch die Stadt Geldern betroffen, in der sich zurzeit rund 300 Geflüchtete aus der Ukraine aufhalten. Die meisten von ihnen können sich nicht vernünftig mitteilen, denn sie sprechen kein Deutsch, woher auch. Die meisten sprechen Ukrainisch und Russisch. Und das ist ein Problem. Denn wie sollen sie sich integrieren, Arbeit finden, mit anderen in Kontakt kommen, wenn sie die Sprache nicht beherrschen? Geht es nach dem BAMF, sollen sie an sogenannten Integrationskursen teilnehmen. Doch die sind zurzeit eher knapp.
Ein zertifizierter Integrationskursus besteht aus einem Sprach- und einem Orientierungskursus. In dem einen lernen die Teilnehmer die Grundlagen der deutschen Sprache kennen, lernen Briefe und EMails zu schreiben, Formulare auszufüllen, zu telefonieren oder sich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben. Im Orientierungskursus „Leben in Deutschland“wird den Schülern die deutsche Rechtsordnung, Geschichte und Kultur nähergebracht, werden sie über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt und über die Werte, die in Deutschland wichtig sind.
Ein allgemeiner Integrationskursus dauert insgesamt 700 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Das entspricht in etwa acht
Monaten, sagt Andreas
Kollöchter, Leiter vom Internationalen Bund (IB) West, Betrieb Niederrhein. Seit 2010 bietet der IB am Standort Geldern unter anderem Sprach- und Integrationskurse an. Zurzeit sind dort etwa 350 Schüler. Der Internationale Bund ist der einzige Träger, der in Geldern vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zulassung erhalten hat, Integrationskurse zu unterrichten.
„Von unserer Flüchtlingsberatung, die wir in Kamp-Lintfort und Wesel anbieten, wissen wir, dass viele der Geflüchteten erst mal ihre Traumata überwinden müssen, wenn sie nach Deutschland kommen“, sagt Kollöchter. Wenn ihnen das einigermaßen gelungen sei, dann möchten sich die meisten von ihnen integrieren. „Aber das geht nicht automatisch“, sagt Kollöchter. „Sie müssen zuerst einen Antrag stellen, um überhaupt an einem Integrationskurs teilnehmen zu können. Wir als IB helfen bei der Antragstellung.“Bisher hätten etwa 100 Personen die Berechtigung zur Teilnahme erhalten.
Doch die Integrationskurse richten sich nicht nur an die Flüchtlinge aus der Ukraine. „Wir haben Teilnehmer aus allen möglichen Ländern dieser Welt, die in Deutschland Fuß fassen wollen“, sagt Claudia Polrolniczak, Koordinatorin für den IB im Kreis Kleve. Das heißt, die Menschen aus der Ukraine kommen jetzt noch dazu. „Das Interesse ist riesengroß, aber aktuell gibt es einfach nicht genügend Plätze. Und das, obwohl kontinuierlich neue Kurse starten. Wir müssen niemanden ablehnen“, sagt Polrolniczak, aber es sei mit Wartezeiten zu rechnen.
Hinzu kommt, dass der IB nicht genügend Dozenten hat, um mehr Kurse anzubieten. Selbst wenn er wollte. „Durch die Corona-Lockdowns sind uns einige Dozenten abgesprungen“, berichtet Kollöchter. Außerdem gibt es hohe Anforderungen, um als Dozent in diesem Bereich tätig zu sein. „Es reicht nicht aus, früher an einer Schule unterrichtet zu haben“, sagt der Standortleiter. Einige ehrenamtlichen Helfer seien empört, dass sie keine Zulassung bekommen hätten, sagt Kollöchter, aber das sei wie mit dem Abitur: Letztendlich müsse man die Voraussetzungen schaffen, damit die Schüler überall in Deutschland auf einem Stand sind. „Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration“, ist Kollöchter überzeugt. „Umso wichtiger ist es, dass wir die Menschen dazu befähigen, sich in die Gesellschaft integrieren zu können.“Auch wenn das Risiko besteht, dass die Teilnehmer die Kurse frühzeitig abbrechen, um in ihre Heimat zurückzukehren.
Für Halis Biter ist es unverständlich, warum das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge so zögerlich ist, wenn es darum geht, eine Zulassung für Sprachschulen auszusprechen. Er selbst habe für das Bundesamt zehn Jahre lang Integrationskurse organisiert, war unter anderem für den IB tätig und hat sich im März vergangenen Jahres mit der Sprachschule „Lingua Schola“an der Schloßstraße in Geldern selbstständig
Ich kenne einige Ukrainer, die arbeiten gehen wollen. Aber ihnen fehlt der Zugang zur Sprache“Halis Biter
Sprachschul-Inhaber