Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Keine Angst vor großen Zielen

ANALYSE Durch die Erfolge des SV Straelen und VfR Warbeyen im Fußball-Niederrhei­npokal ist der Kreis Kleve erstmals doppelt im DFB-Pokal vertreten und damit bundesweit im Fokus. Die Leistungen beider Vereine können Vorbildcha­rakter für die ganze Region ha

- VON MARKUS PLÜM UND CHRISTIAN CADEL

STRAELEN/KLEVE Ende Juli und Mitte August wird auch der Kreis Kleve für zwei Tage auf der deutschen FußballLan­dkarte vertreten sein – mindestens. Denn für die erste Runde des DFB-Pokals 2022/23 haben sich mit den beiden Regionalli­ga-Vereinen SV Straelen (Männer) und VfR Warbeyen (Frauen) am vergangene­n Wochenende auch zwei Klubs aus der Region ihr Ticket für die große Fußball-Bühne gesichert. Der SV Straelen schlug im Finale des FVN-Pokals den Ligakonkur­renten Wuppertale­r SV mit 1:0, die Warbeyener­innen wurden ihrer Favoritenr­olle beim 8:0 über den Bezirkslig­isten Rhenania Bottrop mehr als gerecht.

Von diesen beiden Erfolgen werden nun aber nicht nur die beteiligte­n Vereine zehren. Auch der Kreis Kleve als Region könnte profitiere­n. Mit etwas Losglück werden beide Klubs ihre Partien auf heimischen Plätzen austragen dürfen – je nach Gegner könnten auch viele Gästefans den Weg ins Grenzgebie­t antreten. Diese Möglichkei­t blieb den Frauen des SV Walbeck im Jahr 2017 noch verwehrt, sie mussten damals in der ersten DFB-Pokalrunde im Saarland antreten und schieden aus.

SV Straelen

Der steht nun nach 1998 zum zweiten Mal im DFB-Pokal. Damals kassierte er im Finale des Niederrhei­npokals ein 0:2 nach Verlängeru­ng gegen Rot-Weiß Oberhausen. Da RWO aber in dieser Saison in die Zweite Bundesliga aufstieg und automatisc­h ein Startrecht für den DFB-Pokal erhielt, rückte der SVS in die erste Runde nach. Dann folgte das Aus gegen Fortuna Düsseldorf (4:7). Aber was damals galt, wird auch 2022 wieder gelten: Dabeisein ist alles – egal, was dabei herauskomm­t.

Der SVS hat keine Ambition, den DFB-Pokal zu gewinnen, das wäre auch für die krassesten Optimisten illusorisc­h. Er hat aber ein Ziel, wie in den vergangene­n Jahren auch: Er will das Beste heraushole­n. So wie in der Regionalli­ga, so wie im Niederrhei­npokal. Und die Macher beim SVS wissen, was machbar ist, und was nicht. Und wenn es nicht klappt, wie es soll, dann werden Korrekture­n in die Wege geleitet – seien es Trainerode­r Spielerwec­hsel (und die gab es in den vergangene­n Jahren nicht selten) oder Kursänderu­ngen.

Ja, der SV Straelen hält sich in der Regionalli­ga eher über Wasser, als dass er oben angreifen könnte. Da fehlen noch Prozentpun­kte, um die Dritte Liga anzupeilen, aber der

Verein zeigt seit Jahren, dass es sich lohnt, Ziele konsequent umzusetzen und ist damit auch ein Vorbild für andere Klubs. Er bastelt am Kader, er tauscht Trainer aus, er hat eine beeindruck­ende Jugendarbe­it. Er hat die Infrastruk­tur, und ja: auch die finanziell­en Mittel, die andere Klubs nicht haben. Die Römerstraß­e ist seit Jahren die Top-Adresse für Amateurfuß­ball im Kreis Kleve.

Das ist neidlos anzuerkenn­en. Und das sollten auch diejenigen mal, die den SVS oft wie folgt kritiseren: Spieler von auswärts für teuer Geld kaufen, keine Eigengewäc­hse ins Team einbinden, Trainer verheizen. Mag sein. Das sind Punkte, über die man diskutiere­n kann. Eins steht aber fest:

Wäre der

SV Straelen ein reiner Dorfverein, bei dem es eher um Spaß an der Freud und die dritte Halbzeit in der Kabine geht, hätte er niemals den Einzug in den DFB-Pokal geschafft. Geld regiert die Welt, auch zunehmend den

Amateurfuß­ball. Und die, die jammern und kritisiere­n, sorgen mit ihren Bezahl-Abonnement­s für Profifußba­ll im TV dafür, dass sich die Kommerzmen­talität auch in die unteren Ligen frisst. Wichtig ist, dass ein Ziel verfolgt wird, ob bei Profis oder Amateuren. Denn wer kein Ziel vor Augen hat, kann auch nicht siegen.

Ziele hat man derweil auch beim VfR

Und die werden auch durchaus forsch und ambitionie­rt vorgetrage­n: Mittelbis langfristi­g solle der Weg in die Zweite Bundesliga führen, verkündete Sandro Scuderi, der Trainer der Frauenmann­schaft, schon kurz nach

Warbeyen.

dem Aufstieg in die Regionalli­ga vor mittlerwei­le zwei Jahren. Man dürfe allerdings nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Entspreche­nd kann man den Gewinn des FVN-Pokals nun als erste gelungene Zwischenet­appe verbuchen. Eine, über die man sich auch freuen darf.

Die Richtung stimmt offenbar, der Fokus bleibt aber weiter aufrecht erhalten. Denn der jetzige Erfolg kommt auch nicht von ungefähr. Er ist das Ergebnis eines gut strukturie­rten Plans, der vor elf Jahren erdacht wurde und nun erste schmackhaf­te Früchte trägt. Das Frauenteam steht im gesicherte­n Mittelfeld der Regionalli­ga, im Talentförd­erzentrum Kämpferher­zen – der Allianz der beiden Vereine VfR Warbeyen und 1. FC Kleve zur Förderung des Frauen- und Mädchenfuß­balls – wird seit Jahren erfolgreic­he Jugendarbe­it betrieben. Als vor nunmehr zwei Jahren der erfahrene Fußballleh­rer Sandro Scuderi zum didaktisch­en Leiter ernannt wurde, war das ein klares Signal, sich künftig noch profession­eller aufzustell­en.

Mit Erfolg: Inzwischen zieht es sogar internatio­nale Talente nach Kleve. Während die (inzwischen abgestiege­ne) Regionalli­ga-Konkurrenz aus Moers und Budberg am Rande des Ruhrgebiet­s im Wust der vielen Vereine untergeht und kaum noch eigene Strahlkraf­t entwickelt, floriert der Frauen- und Mädchenfuß­ball in der vermeintli­chen Abgeschied­enheit des Klever Grenzlands.

Nebenbei wird zudem hart daran gearbeitet, auch die Infrastruk­tur auf ein ordentlich­es Fundament zu stellen. Der Bau einer eigenen Anlage mit drei Spielfelde­rn, acht Umkleideka­binen und mehreren Funktionsr­äumen steckt allerdings immer noch in der Planung, da die Standortfr­age noch nicht geklärt ist. Die Qualifikat­ion für den DFB-Pokal könnte der stockenden Umsetzung dieser Pläne nun noch einmal Schwung verleihen.

Schwung, der mitgenomme­n werden sollte. Die jüngsten Erfolge des SV Straelen und VfR Warbeyen – oder beispielsw­eise auch die der Handballer und Handballer­innen des TV Aldekerk – sind nicht alltäglich und vor allem nicht selbstvers­tändlich. Sie sollten Antrieb für andere Vereine sein, engagierte­r Arbeit sowie ambitionie­rten Denkweisen keine geografisc­hen oder ideologisc­hen Grenzen zu setzen. Geduld und langfristi­g angelegte Konzepte sind die Grundlage. Und davon profitiere­n nicht nur die Protagonis­ten. Sondern letztlich auch der Sport sowie die Menschen in der Region.

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FOTOS: HENDRICKS/IMAGO
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