Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Auto oder Bus – wer kriegt hier die Kurve ?
Die Grüne Rebecca Türkis sagt: Die meisten Autos sind überflüssig. Dirk Neubauer (RP) mag sie nicht missen.
gilt auch das nicht. Und es ist sowieso ein Trugschluss. Für ein Mittelklasseauto werden monatlich 800 bis 900 Euro fällig. Viele Menschen gehen arbeiten, um sich ein Auto überhaupt leisten zu können. Und brauchen ein Auto, um zur Arbeit zu kommen. Aus diesem Teufelskreis müssen wir raus.
Und kommen dann aber nicht mehr vom Fleck. Abseits der Hauptstrecken und der Hauptverkehrszeiten brauche ich mehrere Stunden, um mit Bussen im Kreis Mettmann an mein Ziel zu kommen. Die ist in jeder Woche anders. Mit dem Auto ist das kein Problem. Und ich muss nicht bepackt mit vielen Einkaufstaschen in einem schwankenden Bus stehen.
Da unterscheiden sich unsere Lebensgewohnheiten. Ich bekomme meinen kompletten Grundbedarf als Abo von einem Bio-Bauern aus Velbert. Der liefert einmal pro Woche mehrere frische Kisten mit dem E-Transporter an. Und ich habe immer eine Einkaufstasche dabei und mache nicht einen großen Wochenendendeinkauf, sondern verteile das auf viele kleine Einkäufe im Vorübergehen. Dafür ein Auto anzuschaffen, das durchschnittlich elf Stunden pro Tag nur rumsteht und Platz wegnimmt? Wer ab und an ein Auto braucht – zum Beispiel für den Wochenendeinkauf – sollte Carsharing nutzen.
Neubauer Das hatten wir bis vor Kurzem in Mettmann. Ein einziges Auto, das ist mittlerweile abgeschafft worden. Und auch in anderen Städten, in denen ich war, sind Car-Sharing-Modelle immer mit viel Schwung gestartet und innerhalb des ersten Jahres wurden sie eingestellt. Warum ist das wohl so?
Türkis
All diese Projekte sind zu klein dimensioniert und nicht strategisch aufgesetzt, will heißen, mit dem ÖPNV und auf die Bedürfnisse in einem Wohnviertel abgestimmt. Meist braucht Car-Sharing eine Anschubfinanzierung durch die jeweilige Stadt. Dort ist man dann sehr zurückhaltend. Deswegen rollen zu wenige Fahrzeuge an den Start. Wir brauchen deutlich mehr Mittel von Bund und Land. Eine Stadt allein ist damit überfordert. Und wir brauchen Mobilitätsstationen mit ausleihbaren Autos, E-Bikes und Lastenrädern, die an ein Viertel angebunden sind – also dort sind, wo die Nutzer wohnen.
Und dann muss ich überall Kunde werden, Grundpreise zahlen, habe viele verschiedene Systeme und Regelwerke kennenzulernen. Ähnlich wie das Tarifsystem in Bussen und Bahnen ist das alles sehr kompliziert und man ständig das Gefühl, nicht genug bezahlt zu haben oder was falsch zu machen.
Tatsächlich passiert es auch mir mal, dass ich eine Wabe weiterfahre als es mein Ticket erlaubt. Oder versuchen Sie mal, von Gruiten zur Köln-Arena zu kommen. Das geht eigentlich ganz einfach in einer guten halben Stunde, aber man ist in zwei unterschiedlichen Verkehrsverbünden unterwegs. Dass wir das aufbrechen müssen, hat das NeunEuro-Ticket gezeigt. Endlich musste man sich mal keine Sorgen um Preis und Strecke machen. Das war ein großer Teil des Erfolgs. Deshalb glaube ich, dass wir wenigstens ein NRW-Ticket brauchen. Der VRR experimentiert gerade mit dem EezyTarif. Da checkt man mit seinem Handy beim Einsteigen in einen Bus ein und am Ende der individuellen Fahrtroute, inklusive umsteigen, wieder aus. Und man zahlt nur die gefahrene Strecke. So etwas würde den Tarifdschungel lichten – was dringend nötig ist.
Neubauer
Scheint auch eher etwas für digitale Pfadfinder zu sein. Mit meinem E-Auto bin ich hingegen künftig Teil der Strominfrastruktur, weil die Autobatterie Energie speichern und abgeben, so wie es gebraucht wird. Da müsste Ihnen doch das grüne Herz leuchten…
Na ja, das ist jetzt aber ziemliche Zukunftsmusik. Heute stellen E-Autos den öffentlichen Raum genauso zu wie Verbrenner-Fahrzeuge. Und die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen ist aufgrund der Herstellung äußerst fragwürdig. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist aber: E-Autos sind schweineteuer. Mobilität aber ist ein Grundbedürfnis von allen – und nicht nur für die Reichen. Das gibt es nur mit dem ÖPNV, ergänzt um On-Demand-Angebote, das Fahrrad in den Innenstädten und E-Car-Sharing-Modelle. Eine Ausnahme: Ältere Menschen und Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist, können oft nicht auf ein Auto verzichten.
Neubauer
Wenn Sie demnächst an der Haltestelle stehen, nehme ich Sie dennoch mit. Dann können Sie mich gleich ein wenig in Tarifkunde und Verbindungssuche unterrichten.
Türkis
Das ist gar nicht schwer – Sie werden sehen.