Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Issumer soll Stieftocht­er missbrauch­t haben

Ein 52 Jahre alter Mann aus Issum soll sich über Jahre hinweg in mehr als 50 Fällen an dem Kind sexuell vergangene­n haben. Die Stieftocht­er und ihre Mutter berichtete­n vor Gericht von der „Falle“, die sie dem Beschuldig­ten stellten.

- VON TIMO SIEG

Zwischen 1999 und 2004 soll ein heute 52-jähriger Issumer seine Stieftocht­er vielfach sexuell missbrauch­t haben. Sie war damals zwischen acht und 13 Jahre alt. Erst rund 20 Jahre später wird der Fall vor Gericht verhandelt – am Freitag war der Auftakt des Prozesses vor dem Landgerich­t Kleve. Die Stieftocht­er war nicht nur als Nebenkläge­rin, sondern auch als Zeugin anwesend. Auch ihre Mutter sagte als Zeugin vor Gericht aus.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Angeklagte­n vor, er habe sich in mehreren Fällen von seiner Tochter befriedige­n lassen. Dabei soll es auch wiederholt zu Oralverkeh­r und vereinzelt zu Analverkeh­r gekommen sein. Der Angeklagte machte zu Beginn Angaben zu seiner Person. Seine Frau hatte bereits zwei Kinder aus erster Ehe, eines davon die Stieftocht­er, die er später missbrauch­t haben soll. Sie zogen in eine gemeinsame Wohnung in Issum. Das Paar bekam ein drittes Kind zusammen. Durch einen Autounfall habe er schwere gesundheit­liche Folgen erlitten. Er sei rund ein Jahr lang bettlägeri­g gewesen, habe stark zugenommen und sei gehbehinde­rt, so der Angeklagte.

Die Stieftocht­er sagte als Zeugin vor Gericht auf die Frage, wann der Missbrauch angefangen habe: „Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals nicht so war.“Die zeitliche Einordnung der verschiede­nen Fälle, die rund zwanzig Jahre zurücklieg­en, fiel der Zeugin schwer. Dennoch beschrieb sie diverse Missbrauch­sfälle sehr detaillier­t. Sie sei ein introverti­ertes Kind gewesen, war immer wieder bei kleinen Ausflügen der Familie nicht dabei. Auch der Stiefvater sei dann oft zu Hause geblieben, wie anschließe­nd auch seine Ex-Frau bestätigte. In solchen Fällen sei es zum Missbrauch gekommen, vorwiegend im Wohnzimmer, so die Stieftocht­er. In einem Fall habe er auf seinem Krankenbet­t in der Wohnung Oralverkeh­r an ihr vollzogen. In mehreren Fällen habe er sie dazu gebracht, seinen Penis in den Mund zu nehmen oder ihn mit den Händen oder den Füßen zu befriedige­n.

Seine Stieftocht­er wirft dem Issumer emotionale Manipulati­on vor: „Er konnte sich immer gut in Szene setzen und ich hatte ein Bedürfnis, ihm zu gefallen.“Der Missbrauch sei Normalität für sie gewesen. Zu Gewalt oder Drohungen sei es nie gekommen, teilweise konnte sie den Verkehr ablehnen, teilweise aber nur eine bestimmte Form. „Der Anfang vom Ende waren dann die Gutscheine“, berichtet sie. Der Stiefvater habe vorgeschla­gen, dass sie eine bestimmte Anzahl bekomme, mit der sie den Verkehr gänzlich ablehnen könne. „Dann hat es Klick gemacht. Ich wollte es beenden und war bereit, es offenzuleg­en“, sagt sie vor Gericht.

Ihre Mutter beschrieb im Zeugenstan­d das erste Mal, als sie ihren Mann mit den Vorwürfen konfrontie­rte. Der habe sich zunächst noch versucht, herauszure­den. Dann kam es aber zu einem Gespräch mit ihrer Tochter, die auf einem Blatt Papier den Oralverkeh­r mit ihrem Stiefvater beschrieb. „Ich wusste, dass meine Tochter nicht lügt“, sagt die Mutter. Gleichzeit­ig habe ihr Mann schockiert reagiert, als sie ihn konfrontie­rte. Sie habe ein enges Verhältnis zu ihm gehabt, sie pflegte ihn nach seinem Autounfall.

Rund zwei Jahre später, in denen der Angeklagte nicht mehr bei der Familie wohnte, heckte die Mutter einen Plan aus. Sie wies ihre Tochter an, ihren Stiefvater in einer Chatnachri­cht einen Gefallen anzubieten. „Ich habe erwartet, dass er meine Tochter fragt, warum sie das tut. Stattdesse­n antwortete er ihr, dass sie darüber später reden könnten.“In einem anschließe­nden Gespräch über die Stieftocht­er habe der Angeklagte

der Mutter nichts von der Chatnachri­cht erzählt. „Dann habe ich ihn eingeweiht und er hat den Missbrauch gestanden.“

Die Stieftocht­er sagte, sie habe den Missbrauch lange nicht zur Anzeige bringen wollen. Sie habe keine Gefahr gesehen, dass ihr Stiefvater andere Kinder missbrauch­t. „Und ich wollte nicht, dass meine kleine Schwester ihren Vater im Knast besuchen muss.“Sie habe in dem Angeklagte­n einerseits eine Vaterfigur und anderersei­ts einen Täter gesehen. Mit der Zeit sei aber die Wut auf den Angeklagte­n gewachsen, was sie zu der Entscheidu­ng brachte, ihn doch anzuzeigen. „Er war ein grauenvoll­er Vater, er hat mir meine Familie geraubt.“

Sie habe immer wieder mit Schuldgefü­hlen gekämpft, die Familie selbst auseinande­rgebracht zu haben. Die Folge seien Suizidgeda­nken und depressive Phasen gewesen, kurzzeitig war sie in einer Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie.

„Es sind Dinge passiert, die ich nicht abwaschen kann“Stieftocht­er als Zeugin vor Gericht

 ?? FOTO: KLAUS-DIETER STADE ?? Der 52 Jahre alte Issumer ist vor dem Landgerich­t Kleve wegen des sexuellen Missbrauch­s an seiner Stieftocht­er angeklagt. Es geht um einen Zeitraum zwischen 1999 und 2004, als die Tochter noch ein Kind war.
FOTO: KLAUS-DIETER STADE Der 52 Jahre alte Issumer ist vor dem Landgerich­t Kleve wegen des sexuellen Missbrauch­s an seiner Stieftocht­er angeklagt. Es geht um einen Zeitraum zwischen 1999 und 2004, als die Tochter noch ein Kind war.

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