Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die letzte Kneipe ihrer Art
Nach 42 Jahren schließt mit Kevin‘s Pub eine der traditionsträchtigsten Gaststätten in Weeze. Am heutigen Samstag ist Zapfenstreich. Für die Stammgäste geht damit auch ein sozialer Treffpunkt verloren.
Als Kevin und Regina Betts ihr Pub an der Wasserstraße in Weeze eröffneten, war die Welt noch eine andere: Die Briten waren noch auf Laarbruch – und Weeze selbst war voller Kneipen. 1982 war das, Kevin Betts war gerade frisch ehemaliger britischer Soldat und seit sieben Jahren mit Regina Betts verheiratet. Die beiden pachteten das Gebäude an der Wasserstraße, in dem schon während des 1. Weltkriegs eine Kneipe war. Später kauften sie es. „Ich hätte damals nie gedacht, dass wir das so lange machen“, sagt Regina Betts. Denn während Kneipe um Kneipe schloss, blieb Kevin‘s Pub. Doch damit ist jetzt nach 42 Jahren Schluss. Am Samstag öffnet die Kneipe zum letzten Mal. Dann werden alle Fässer ausgetrunken, es wird ein letztes Mal gefeiert.
Es ist kurz vor 11 Uhr, als Kevin Betts an einem Donnerstagvormittag die Kneipe aufschließt, die Lichter anmacht und sich hinter den Tresen stellt. An der Wand hängen Bilder von Partys in der Kneipe, von der Decke baumeln alte Teekssel, an einem Balken ist ein Straßenschild mit der Aufschrift „Irrenhaus“angebracht. Um Punkt 11 Uhr stehen schon die ersten Gäste an der Glastür, die in den Biergarten führt. Stammgäste, Rentner, die jeden Morgen zum Frühschoppen kommen. „Für die tut es mir schon leid“, sagt Betts, „unser Pub ist für sie ein wichtiger Treffpunkt. Und auch für die Vereine tut es mir leid, den Knobeltreff zum Beispiel.“Er selbst sei auch wehmütig, aber er freut sich auch – auf die viele Freizeit, die er und seine Frau jetzt haben. „Ich kenn zu viele Menschen, die ihr Leben nicht mehr genießen konnten und dann zu früh gestorben sind. Das soll uns auf keinen Fall passieren“, sagt Kevin Betts.
Inzwischen hat eine Gruppe von sieben Männern Platz genommen, sie sitzen direkt am Tresen. Einer der Männer trinkt ein Bier, ein anderer einen Cappuccino. Sie unterhalten sich, lachen, die Stimmen werden lauter. Es geht um Geschenke der Ehefrauen oder um Dinge, die nicht mehr funktionieren. Jeden Tag sind sie hier, also von Donnerstag bis Montag, wenn Kevin‘s Pub geöffnet hat.
Kevin‘s Pub ist Teil einer auch in Weeze untergegangen Kultur: Einer Kultur, in der es wahrlich an jeder Ecke eine Kneipe gab, eine Kneipe auch, die schon morgens geöffnet hat. Und die für die Stammgäste mehr ist, als nur ein Lokal, in dem man mal eben sein Bier trinkt und ein bisschen feiert. Sie ist ein sozialer Treffpunkt. Zum Beispiel gab es da den Stammgast, der 2019 seinen 90. Geburtstag in der Kneipe feiern wollte – und dessen Sohn dann tragischerweise einen Tag vorher gestorben war. Daher fiel die Feier aus. Fünf Jahre später feierte er dann seinen 95. Geburtstag Ende März in Kevin‘s Pub. „Uns war klar, dass wir noch mindestens so lange offen bleiben“, sagt Regina Betts.
„Als das hier aufgemacht hat, war direkt nebenan eine Kneipe. Es war eine andere Zeit“, sagt einer der Frühschopper. Vor ihm steht ein alkoholfreies Bier. „Ich bin schon traurig, klar. Also für uns. Für Kevin freue ich mich, ich kann das komplett verstehen“, sagt er. Zudem hätten er und die anderen Frühschopper jetzt mit dem Marktcafé vereinbart, dass sie dort morgens sitzen können.
„Die Stammgäste werden mir am meisten fehlen“, sagt Regina Betts. Sie selbst sei auch traurig über die Entscheidung, zu schließen – aber es sei nun mal unausweichlich. Sie ist gesundheitlich angeschlagen, braucht eine Krücke, um zu laufen. Schon während der Pandemie, als Kevin‘s Pub mehrere Monate zu war, kam der Gedanke immer wieder auf. „Wir haben gemerkt, dass es schön ist, mal Freizeit zu haben“, sagt Regina Beets. Doch bis zu endgültigen Entscheidung dauerte es noch ein bisschen, die trafen sie schließlich Ende 2023.
„Das war schon teilweise eine wilde Zeit“, sagt Regina Betts und lacht. Sie meint die Partys, erst recht in den Anfangsjahren, als die Briten noch auf Laarbruch waren und sich hier in Kevin‘s Pub in die Weezer Bevölkerung mischten. Mit dem Abzug der Truppen, waren viele Gäste plötzlich weg, aber viel ruhiger wurde es auch nicht, gefeiert wurde immer. Das alles hatte aber auch seine Schattenseiten.
„Wir haben einige Freunde verloren, weil wir nicht zu Geburtstagen konnten. Wir mussten ja in der Kneipe stehen“, sagt Regina Betts. Und wenn sie nicht in der Kneipe standen, dann kümmerten sie sich um den Kanuverleih, den sie 2019 aufgaben oder bis 1999 das Hotel auf der anderen Straßenseite, das sie betrieben.
Ein weiterer Grund für die Schließung sei das fehlende Personal: Wenn sie jemanden gefunden hätten, der dafür sorgt, dass sie selbst auch mal kürzer treten können, hätten Kevin und Regina Betts vielleicht noch ein bisschen länger gemacht. „Aber man findet niemanden mehr. Und die, die man findet, wollen nicht am Wochenende arbeiten“, sagt Regina Betts. Die Gäste seien zumindest nicht das Problem, am Wochenende ist die Kneipe regelmäßig voll, das Alter der Gäste ist gemischt.
Der Raum, in sich das Pub befindet, soll so bleiben, erst einmal. „Wir haben in unserem Haus genug zu tun“, sagt Regina Betts. Langweilig wird dem Ehepaar auch dem Ende von Kevin‘s Pub nicht. Beide hätten dann mehr Zeit für die Enkelkinder, Kevin kann sich endlich mehr seiner Leidenschaft – dem Angeln – widmen.
Ganz Schluss ist für Frühschopper in Kevins am Samstag übrigens noch nicht. Am Montagvormittag wollen Kevin und Regina für die morgendlichen Stammgäste noch ein letztes Mal öffnen. Und dann heißt es in Kevin‘s Pub endgültig: Goodbye.