Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Uns wird Inkompetenz vorgeworfen“
Der Kranenburger Ratsmitglied Oliver Luerweg bewertet das Vorgehen der Wirtschaft als unerträglich.
Der Kranenburger Kommunalpolitiker Oliver Luerweg (56) ist seit 2020 Mitglied des Rats. Als CDU-Fraktionsmitglied begann er hier seine politische Arbeit, bevor er zur SPD wechselte. Jetzt sitzt der 56-Jährige als fraktionsloses Mitglied in der Gemeindeversammlung.
Herr Luerweg, braucht die Gemeinde keine Gewerbeflächen?
Da sehe ich aktuell keine Notwendigkeit für. Es wird sicherlich der Zeitpunkt kommen, aber jetzt ist er sicherlich nicht.
Acht Unternehmen haben sich schriftlich an die Politik gewandt. Alle wollen in Kranenburg expandieren oder sich neu ansiedeln.
Das sind für mich nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Die wenigsten Firmen werden ihre in dem Schreiben mit Vehemenz vorgetragenen existenziellen Bauvorhaben
und Investitionen auch umsetzen.
Was macht Sie da so sicher?
Es geht derzeit alleine darum, das Gebiet Rittersfeld in ein Gewerbegebiet umzuwandeln und den Druck auf die Politik hochzuhalten. Die Art, wie hier seitens der Wirtschaft Stimmung gemacht wird, ist unerträglich. Und das sage ich als Unternehmer. Es gibt einfach Grenzen, die eingehalten werden sollten.
Inwiefern?
Da wird dem Rat in einem der Schreiben sogar Inkompetenz vorgeworfen. Es hat eine demokratische Abstimmung stattgefunden, und die gilt es zu akzeptieren.
Demokratisch gefällte Entscheidungen sind nicht zwangsläufig vor Inkompetenz geschützt.
LUERWEG Aus meiner Sicht ist es der richtige Beschluss. Das Rittersfeld soll nicht mit Lagerhallen verbaut werden, die eine schöne Landschaft zerstören.
Im Rat heißt es ständig, man müsse den Bürger mitnehmen. Überspitzt formuliert, wird für jede neue Straßenlaterne eine Beteiligung gefordert. Kann es nach der hauchdünnen Pattabstimmung bei einem derart bedeutenden Projekt heißen: Abgelehnt und weiter?
Wir sind vom Bürger gewählt und müssen diesen vertreten. Wenn jetzt für das Projekt Gewerbegebiet eine Bürgerbeteiligung angestrebt wird, ist das ebenso ein demokratisches Verfahren. Dieses Verfahren ist gut und richtig. Das Ergebnis schafft Sicherheit für Bürger und Wirtschaft. Ich bleibe aber im Rat bei meinem Nein.
In einem Jahr sind Kommunalwahlen. Werden Sie noch einmal antreten?
Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden. Aber es spricht nicht viel dafür. Ernüchternd ist für mich, wie wenig Gestaltungsspielraum ein Ratsmitglied hat. Zumal es bedeutend zu viele Seilschaften gibt.
Aber durch die Pattsituation für oder gegen das Gewerbegebiet haben Sie mit ihrer Stimme doch dazu beigetragen, das Vorhaben zu stoppen.
Eine der wenigen Ausnahmen. Es war eine geheime Abstimmung und auch aus den Reihen der CDU muss jemand mit Nein gestimmt haben, sonst wäre die Patt-Situation nicht zustande gekommen. Hinsichtlich der Einflussnahme der Wirtschaft schlage ich vor, dass die Personen sich selbst in der Politik und im Rat engagieren. Dann können sie gestalten und müssen keinen Druck ausüben.