Rheinische Post Hilden

Das lange Leiden der syrischen Christen

- VON BIRGIT SVENSSON

Zwischen Islamisten und Assads Truppen steht die christlich­e Minderheit. Viele unterstütz­en den Machthaber, weil sie sich Schutz erhoffen.

HAMA/SULEIMANIJ­A „Was Baschar zuallerers­t will, das ist, die Rebellen zu besiegen“, analysiert Dahoud die Lage in seinem Heimatland. Baschar, das ist Syriens Machthaber Baschar al Assad. Sich selbst charakteri­siert der hochgewach­sene Syrer Dahoud in elegantem Anzug mit Krawatte so: „Ich bin Christ und komme aus Hama.“In der Stadt Suleimanij­a im irakischen Kurdengebi­et hat er Arbeit bei einem internatio­nalen Unternehme­n gefunden. Seine guten Englischke­nntnisse haben ihm dabei geholfen. Jetzt erzählt er von den Leiden seiner Glaubensbr­üder in der Heimat.

Er sei kein Flüchtling, betont der 27-Jährige, sondern so etwas wie ein Gastarbeit­er: „Viele Syrer, die nicht in die Armee wollen, arbeiten außerhalb Syriens.“Wer keine Leute umbringen wolle, gehe weg. Das hätten Muslime und Christen gemeinsam. Der Onkel von Dahouds Kollege Daban lebt in Düsseldorf. „Wenn man außerhalb Syriens einen Job und eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng hat, kann man für vier Jahre vom Militärdie­nst befreit werden“, erklärt Dahoud das System. Danach müssten die Männer zum Wehrdienst nach Syrien zurück oder sich für 8000 US-Dollar freikaufen: knapp 7700 Euro. Er habe jetzt gut drei Jahre in Irakisch-Kurdistan hinter sich, sagt Dahoud. Was er nächstes Jahr tut, wenn die Frist abläuft, weiß er noch nicht. So viel aber stehe fest: „Auf keinen Fall will ich auf meine Landsleute schießen.“

Die blutige Schlacht um Aleppo ist zu Ende gegangen. In Syrien allerdings wird weiter an vielen Fronten gekämpft, und der Kampf kann noch lange dauern. Wie in Dahouds Heimatregi­on: Das Bündnis „Union of Medical Care and Relief Organizati­ons“(UOSSM), das in Syrien humanitäre Hilfe leistet, berichtete erst diese Woche von einem Giftgasang­riff auf mehrere Ortschafte­n in der Provinz Hama im Nordwesten Syriens. Dabei sollen 93 Zivilisten getötet und rund 300 verletzt worden sein. Flugzeuge sollen Bomben auf mehrere Dörfer abgeworfen haben, in denen die Dschihadis­ten das Sagen haben.

In einigen Dörfern rund um Hama hat sich die Terrormili­z IS festgesetz­t, aber auch Rebellengr­uppen sind dort präsent. Ärzte in der Umgebung haben UOSSM von den Opfern und ihren Symptomen berichtet. Bei der Attacke sei eine geruch- und farblose Chemikalie eingesetzt worden, die die Atemwege der Opfer angegriffe­n habe, berichtete ein Sprecher der Hilfsorgan­isation.

Die Provinz Hama ist besonders umkämpft. Dahoud erzählt von Ma- harda, einem Dorf 23 Kilometer nordwestli­ch der Stadt, in dem nur Christen leben und das fast täglich angegriffe­n werde – mal von islamistis­chen Gruppen, mal von Regierungs­truppen. Die Kämpfe wogten dort ständig hin und her, und die Christen seien mittendrin.

Ganz anders in der Stadt Hama selbst, die von Regierungs­truppen kontrollie­rt wird: Dort leben fast nur Muslime. Während die Stadt bei Beginn des Aufstandes gegen Assad 900.000 Einwohner zählte, sind es jetzt etwa 1,5 Millionen. Viele sind vor den Kämpfen im Rest des Landes ins sicherere Hama geflohen. An der Fernstraße zwischen Aleppo und Damaskus gelegen, gehört Hama, das in der Antike Hamath oder Epiphaneia hieß, zu den ältesten durchgehen­d besiedelte­n Städten des Landes.

Dahoud gerät ins Schwärmen. Seit der Römerzeit gebe es dort Wassermühl­en, 126 Wasserräde­r in der ganzen Stadt. Er zeigt einen kurzen Videofilm auf dem Smartphone, auf dem Kinder zu sehen sind, die auf die Speichen der Räder klettern und sich ins Wasser hinuntergl­eiten lassen. „Das ist Hama“, sagt Dahoud. Als seine Stadt im Frühjahr 2011 zu einem Zentrum des Protestes gegen das Regime in Damaskus wurde, rückte die syrische Armee in die Stadt ein und tötete viele Menschen. Ibrahim Kaschusch, der Verfasser des Revolution­sliedes „Komm schon, Baschar, es ist Zeit zu ge- hen“, stammt aus Hama und wurde angeblich wenige Tage nach dem Einmarsch der Armee mit durchgesch­nittener Kehle und ohne Stimmbände­r im Orontes gefunden, der durch Hama fließt. Jetzt soll ein Foto von ihm im Internet aufgetauch­t sein; irgendwo in Europa soll er im Exil leben. Dahoud ist skeptisch, was die Nachricht angeht.

Schon einmal rückte die syrische Armee in Hama ein und richtete ein Blutbad an. Das war im Februar 1982, als Mitglieder der sunnitisch­en Muslimbrüd­er die Stadt zum Widerstand­szentrum gegen die Regierung ausgebaut hatten. Dabei wurde insbesonde­re die historisch­en Altstadt verwüstet; schätzungs­weise 30.000 Menschen starben. Die Ereignisse brachten dem damaligen Staatspräs­identen Hafis al Assad, Baschars Vater, den Beinamen „Schlächter von Hama“ein.

Die Christen, weiß Dahoud, fühlten sich damals von den Islamisten bedroht und empfanden Assad den Älteren als Beschützer. In ihrer Haltung zu Baschar seien sie jedoch gespalten. Aber diejenigen, die noch in Syrien sind, würden ihn unterstütz­en: „Die anderen sind außer Landes geflohen.“Manche sind durch die Kampfhandl­ungen getötet, einige vom IS oder anderen islamische­n Extremiste­n umgebracht worden. Wer in Hama, Damaskus und wohl bald auch wieder in Aleppo lebe, sei für Assad. Er selbst wolle sich nicht auf eine Seite stellen.

„Ich will nur in Frieden leben“, sagt Dahoud und wirkt ein wenig resigniert – auch er weiß, dass sein Wunsch so schnell wohl nicht in Erfüllung gehen wird.

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FOTO: AP Die Trümmer einer Tradition: Ein syrischer Soldat steht im zerstörten Kloster Mar Elian in Karjatain bei Homs nördlich von Damaskus. Der IS brüstete sich mit der Zerstörung des Klosters, nachdem er die Stadt 2015 eingenomme­n hatte. Im Frühjahr eroberte...

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