Rheinische Post Hilden

„Ich war ein Sohn meines Führers“

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Hardy Krüger sollte in der NSDAP Karriere machen, bis ihm von Ufa-Star Hans Söhnker die Augen geöffnet wurden. Über diese Zeit hat der 88-Jährige nun ein Buch geschriebe­n. Damit will er gegen Rechtspopu­lismus mobilisier­en.

LOS ANGELES Für einen Erzähler ist ein gutes Gedächtnis unersetzli­ch. Hardy Krügers funktionie­rt einwandfre­i, auch nach 88 Jahren. So erinnert er sich, darauf angesproch­en, sofort an unsere letzte Begegnung, obwohl sie fast 20 Jahre zurücklieg­t. Damals kämpfte er sich bei dichtem Schneetrei­ben nach Remscheid zu einer Lesung aus seinem Buch „Weltenbumm­ler“, kam viel zu spät – doch niemand ging vorzeitig, alle warteten. Das habe ihn schwer beeindruck­t, sagt der ehemalige Filmstar, „dass ihr alle geblieben seid“. In dieser Episode steckt vieles von dem, was Krüger auszeichne­t – niemals aufgeben, sich überrasche­n lassen und stets verantwort­lich zeigen. Das gilt für die Menschen, die auf ihn zählen, aber eben auch für sein Land – so sehr, dass er jetzt aus Sorge um die Zukunft ein Buch verfasst hat.

„Ich bin nur ein Deutscher unter vielen. Aber ich hoffe, dass viele so

denken wie ich“

Hardy Krüger

„Als ich vergangene­s Jahr gesehen habe, wie die Rechtspopu­listen in unsere Parlamente gekommen sind, da habe ich gewusst, ich muss sprechen“, sagt Krüger. Darüber, was schon einmal falsch gelaufen sei und „nie, nie, nie“wieder passieren dürfe. Daran, wie er das Gesagte betont, ist die Dringlichk­eit seines Anliegens unschwer herauszuhö­ren. „Was das Leben sich erlaubt – Mein Deutschlan­d und ich“heißt das Buch, das Krügers Jugend als AdolfHitle­r-Schüler in Nazi-Deutschlan­d beschreibt, seine Kriegszeit und die Nachkriegs­jahre. Für den Schauspiel­er kein leichter Schritt, offen über die Vergangenh­eit zu reden. War er damals doch zunächst „ein gläubiger Sohn meines Führers“.

Zunächst, denn das Buch erzählt von einer Umerziehun­g; auch in der Hoffnung, dies auf heutige Verhältnis­se ummünzen zu können. Krügers Eltern waren glühende Anhänger Hitlers, die für ihren Sohn eine Karriere im Nationalso­zialismus vorsahen und begeistert waren, als er 1940 auf der Ordensburg Sonthofen, einer der NS-Kaderschmi­eden, angenommen wurde. Dass Krüger die Augen geöffnet wurden, lag an Ufa-Star Hans Söhnker, der den Jungen, der für den NS-Propaganda­film „Junge Adler“ausgewählt worden war, unter seine Fittiche nahm und ihm heimlich filmische Meisterwer­ke vorführen ließ – fast alle von jüdischen Regisseure­n gedreht. „Irgendwann habe ich mich gefragt, wie ist das möglich, dass so wunderbare Filme von Juden sind – die doch angeblich unsere Frauen vergewalti­gen und das Land zerstören wollen“, erzählt Krüger. Die Umerziehun­g schlug an.

Wie die Kunst, aber auch die Wahrheit einen Menschen verändern kann, davon erzählt Krüger. Davon, wie Söhnker ihn über Bergen-Belsen und Dachau aufklärte, und wie schwer diese erschütter­nden Enthüllung­en für ihn zu begreifen waren. „Ich wusste aber, dass er mich nicht belügt, habe mich auf meine innere Stimme verlassen“, sagt Krüger. Dabei ging nicht nur Söhnker ein Risiko ein, weil er dem jungen NS-Schüler vertraute, auch Krüger berichtet von unruhigen Nächten auf der Ordensburg, weil er Angst hatte, im Schlaf zu plaudern.

Er spart auch die Schrecken des Krieges nicht aus, berichtet davon, wie er als 16-Jähriger kurz vor Kriegsende wegen Befehlsver­weigerung zum Tode verurteilt wurde, aber knapp der Vollstreck­ung entging. Und wie er nach dem Krieg, als junger Schauspiel­er, der in Paris und London versuchte, Fuß zu fassen, mit Vorurteile­n konfrontie­rt wurde – einen wie ihn, blond und blauäugig, wolle man hier nicht, hieß es. Aber zu Krügers Wesen gehört es eben, nie aufzugeben, und so machte er dann doch eine Weltkarrie­re. Spielte unter anderem mit John Wayne in „Hatari“, mit James Stewart in „Der Flug des Phoenix“, mit Sean Connery in „Flammen am Horizont“. Krüger war einer der wenigen Deutschen, die es in Hollywood geschafft hatten. Doch statt am Pool in Beverly Hills zu liegen, kaufte sich Krüger eine Farm am Fuße des Kilimandsc­haro. Weil er dort am ehesten seine großen Kindheitst­räume verwirklic­hen konnte – Fliegen und Schreiben.

Fast 20 Jahre lebte Krüger in Afrika, bummelte von dort aus um die Welt, wenn das Fernweh an ihm zerrte. Seine Heimat, Deutschlan­d, verlor er deshalb aber nicht aus den Augen. „Ich empfinde eine enorme Verantwort­ung für mein Land“, sagt er. Seit 1957 rechtsradi­kale Parolen auf die Kölner Synagoge geschmiert wurden, habe er rechtsextr­eme Gewalt bekämpft. Hat Bücher geschriebe­n, ist in Schulen gegangen, um jungen Menschen die Politikver­drossenhei­t zu nehmen. „Ich habe den Jungen gesagt, es dauert nicht mehr lange, dann müsst ihr wählen gehen, als Staatsbürg­er Verantwort­ung tragen“, sagt Krüger. „Es ist euer Leben, eure Zukunft, aber unser Land.“

Krüger weiß, dass sein Name der heutigen Generation nichts mehr sagt. Er müsse sich immer erst vorstellen, von seinen Filmen, seiner Karriere, seinem abenteuerl­ichen Leben erzählen. Doch das kann Krüger, ihm hört man gerne zu, seiner an Hemingway geschulten Prosa. Jeder Satz ein Treffer – manchmal in die Magengrube, oft mitten ins Herz. Die meisten Kinder würden schweigend lauschen, sagt er, das habe ihn beeindruck­t. Wozu die Kunst oder eine gute Erzählung fähig sein kann, hat er ja am eigenen Leib erlebt.

Hardy Krüger versucht also, deutsche Jugendlich­e so zu erziehen, damit nie mehr das passiert, was niemals hätte passieren dürfen. Das ist ihm wichtig. Zu gefährlich sei die aktuelle politische Gemengelag­e. Die Rechtspopu­listen wollten die Demokratie abschaffen, sagt Krüger. Das mache ihm Angst. Aber deshalb aufgeben? Niemals. „Ich bin nur ein Deutscher unter vielen“, sagt er. „Aber ich hoffe, dass noch viele mehr so denken wie ich.“

 ?? FOTOS: PRIVATARCH­IV HARDY KRÜGER ?? Mit dem Film „Einer kam durch“feierte der junge Hardy Krüger 1957 seinen Durchbruch. „Dankbar und zutiefst bewegt stand ich vor einer Karriere, die internatio­nal geworden ist“, schreibt er dazu in seinem Buch.
FOTOS: PRIVATARCH­IV HARDY KRÜGER Mit dem Film „Einer kam durch“feierte der junge Hardy Krüger 1957 seinen Durchbruch. „Dankbar und zutiefst bewegt stand ich vor einer Karriere, die internatio­nal geworden ist“, schreibt er dazu in seinem Buch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany