Rheinische Post Hilden

Unterwegs mit dem Paketzuste­ller

- VON LISA KREUZMANN

Als Paketbote muss man in den Weihnachts­tagen gut sortiert sein. Etwa acht Millionen Päckchen verschickt DHL am Tag. Cemalettin Ünal beliefert Kunden an der Kö. Aber nicht alle Zusteller arbeiten unter solch königliche­n Bedingunge­n.

DÜSSELDORF Mit einer völlig überladene­n Sackkarre geht Cemalettin Ünal auf die Königsalle­e zu. Eine Gitarre sorgt für Stabilität. Vielleicht ist in dem langen Paket mit der Aufschrift „Music Store“auch ein Keybord verstaut. Was in den 340 Paketen steckt, die Zusteller Ünal an diesem Tag ausliefern muss – fast doppelt soviele wie üblich – interessie­rt ihn eigentlich nicht.

Nur einmal, da habe ein Päckchen ein Geräusch gemacht. Das sei etwas gruselig gewesen, erzählt der 36-jährige DHL-Bote. Der Inhalt konnte aber auch in diesem Fall nie geklärt werden.

Hauptsache für Ünal aber ist: Er wird die Pakete los. Die Paketdiens­te halten ihre Fahrer an, beim ersten Versuch zuzustelle­n. Für jedes Versäumnis müssen sie zahlen, wenn Päckchen im Paketshop oder bei einer Post-Filiale abgegeben werden.

Cemalettin Ünal zieht sein Stapelwerk also in Richtung Kö. Eine Passantin spricht ihn an: Wo denn das Musikhaus Jörgensen sei. „Berliner Allee“, sagt Ünal und weist der Dame den Weg. Freundlich, wie das so seine Art ist, die Sackkarre voller weihnachtl­icher Vorfreude auch mit einer Hand fest im Griff.

Seit 15 Jahren fährt Cemalettin Ünal für die Deutsche Post Pakete aus. Jetzt ist er Stammfahre­r mit fester Route und Konzerntar­ifvertrag. Darauf hat er lange hingearbei­tet, und wieder hergeben möchte er seinen Bezirk auch nicht: 176, Innenstadt, Königsalle­e.

Die Kunden hier sind überwiegen­d Büros, Kanzleien, Werbeagent­uren, Arztpraxen. Sie bestellen bei Galeria Kaufhof, Zalando, Amazon, Bioland und Douglas – Weihnachts­geschenke. Cemalettin Ünal kennt sie beim Namen und sie kennen ihn, zumindest sein Gesicht. Rein in den Fahrstuhl, raus aus dem Fahrstuhl, Treppen rauf und runter. Auf den 36-Jährigen warten Vorzimmerd­amen mit aufgeklebt­en Fingernäge­ln und welche ohne. Empfangssc­halter dekoriert mit bunten Christbaum­kugeln und überheizte Büroräume. Und ein Trinkgeld gibt es hie und da auch.

Aber es gibt auch andere. Das hört man an diesem Vormittag immer wieder. „Schwarze Schafe“, sagt Ünal. All jene Zusteller, über die sich Online-Käufer auf der Plattform der Verbrauche­rzentrale NRW „PaketÄrger.de“beschweren.

Und andere Arbeitsbed­ingungen gibt es auch. Immer wieder werde Ünal von Kunden nach seinem Gehalt gefragt. „Es geht mir gut, ich bin zufrieden“, sagt Ünal dann. Mit 13 Euro pro Stunde steigen Paketzuste­ller bei Marktführe­r DHL (43,7 Prozent Marktantei­l 2015) bei der 2014 gegründete­n Tochterfir­ma Delivery ein. Wer noch einen alten Vertrag hat wie Cemalettin Ünal, verdient etwa 18 Euro. Bei der Konkurrenz ist das deutlich weniger. Je nach Anstellung­sverhältni­s. Bei DPD, der Tochterfir­ma der französisc­hen Post (Platz zwei in Deutschlan­d), wird ausschließ­lich mit externen Zustellern gearbeitet. Boten bei Hermes, GLS und DPD verdienen nach Unternehme­nsangaben mindestens 8,50 Euro Mindestloh­n. Bei Hermes würden in München auch Stundenlöh­ne von zwölf Euro erreicht.

Cemalettin Ünal macht seinen Job gerne und sogar so gut, dass eine Kundin ihn mal im Hausflur abwerben wollte. Ünal wollte aber nicht wieder von vorne anfangen. „Knochenjob“, urteilen Herr Ünals Kollegen in der Zustellbas­is in Flingern. Nicht klagend, eher schalkhaft resigniert. „Für die Alten sei es ja nicht so schlimm“, sagt der Kollege. „Aber für die Neuen...“.

Zu Weihnachte­n hat die Deutsche Post 10.000 Aushilfsbo­ten eingestell­t. Nicht für alle Fahrer gibt es gelbe Lieferwage­n. Die Neuen fahren mit Transporte­rn ohne Regalsyste­me, ohne Sortierung, ohne Festanstel­lung. „Die haben teilweise geheult“, erzählt ein Freund, mit dem Ünal seine Mittagspau­se verbringt, der auch mal für DHL und andere Zusteller gearbeitet hat.

Cemalettin Ünal arbeitet an diesem Tag zehn Stunden und geht 27.000 Schritte. Er weiß, in welchen Fluren Überwachun­gskameras hängen und in welche Aufzüge er mit der Sackkarre passt. Das wird auch morgen so sein.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Bote Cemalettin Ünal arbeitet seit 15 Jahren für die Post – mit fester Route und Konzerntar­ifvertrag. Anders geht es Neueinstei­gern.

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