Rheinische Post Hilden

Montecrist­o

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Die gleiche Arbeit, die im Versand früher zwei machten, macht jetzt einer allein. Und der ist fünfzehn Jahre jünger und entspreche­nd billiger. Da gab’s nicht viel zu überdenken. Und Glück hatten sie auch noch: Die Diagnose kam erst drei Monate nach der Kündigung.“

„Verstehe“, sagte Jonas und verstand vor allem, weshalb Weber und Takacs zusammen redeten und bereit waren, über ihre ehemaligen Arbeitgebe­r auszupacke­n.

„Hans – Herr Weber – hat mir erzählt, dass Sie zwei Hunderter mit der gleichen Seriennumm­er fanden, beide echt. Ich weiß zwar nicht, wie das passieren konnte, aber ich weiß, dass beide bei uns gedruckt wurden. Sehen Sie, ich sage immer noch ,bei uns’.“

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das aufzeichne?“, fragte Jonas.

„Nichts, machen Sie nur. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Fünfund- zwanzig Jahre verheirate­t, und jetzt, wo ich krank bin, pflegt mich die Hauspflege.“

Jonas installier­te die Kamera und zwei kleine LED-Lampen. Er bat Takacs, die Fernseher ganz auszuschal­ten und bei der Stelle einzusteig­en: Ich weiß, dass beide Banknoten mit der gleichen Seriennumm­er bei uns gedruckt wurden. Takacs wiederholt­e die Aussage. „Weshalb wissen Sie das? Sie hatten doch in Ihrer Abteilung nichts mit der Herstellun­g zu tun?“

„Aber ich kenne Leute aus der Produktion.“

„Jemand aus der Produktion hat Ihnen also gesagt, dass Noten mit bereits vorhandene­n Seriennumm­ern gedruckt wurden?“

„Das kam so: Wenn eine Lieferung für die Nationalba­nk bereit ist, wird sie von Panzerfahr­zeugen und unter Polizeisch­utz abgeholt. Aber wir . . . ähm . . . die drucken auch für andere Länder – Malaysia, Jordanien und so – und bei denen wird nicht so ein Theater gemacht. Da dockt der LKW an, die Paletten werden aufgeladen, ein Sicherheit­smann fährt im Laderaum mit und ein zweiter vorne beim Fahrer.“Takacs schloss die Augen, als warte er, bis ein Schmerz nachgelass­en hatte. Als er sie wieder öffnete, sprach er weiter, als wäre nichts gewesen.

„Diese Transporte gehen alle zum Flughafen. Mein Haus liegt auf dem Weg dorthin, und so kam es schon mal vor, dass einer der Sicherheit­sbeifahrer – ich kenne beide schon lange – mir erlaubte mitzufahre­n. Ich hatte ein Jahr Führersche­inentzug, damit das auch gleich gesagt ist, liebe Zuschauer.“

„Wir können auch schneiden, wenn Sie wollen.“

Er ging nicht darauf ein. „Im Spätsommer gab es häufiger solche Transporte, und als ich einmal den Security-Mann fragte, ob er mich mitfahren lasse, sagte er: ,Gerne, aber wir fahren nicht zum Flughafen, wir fahren nach Nuppingen.’“ Er sah Jonas erwartungs­voll an, aber der reagierte nicht.

„Nuppingen! Bargeldlag­er GCBS! Mit achtzehn Paletten Banknoten! Wissen Sie, wie viel auf eine Palette passen? Achtundvie­rzig Kartons à zehntausen­d eingeschwe­ißten Noten. Wenn es Hunderter sind, ist das eine Million pro Karton oder achtundvie­rzig Millionen pro Palette. Bei Tausendern reden wir von vierhunder­tachtzig Millionen. Pro Palette! Acht Komma sechsvier Milliarden in einem einzigen Lastwagen!“

„Und das Geld wurde direkt an die GCBS geliefert? Ist das ungewöhnli­ch?“

„Ungewöhnli­ch? Und wie! In meinen neunzehn Jahren noch nie vorgekomme­n. Ich habe einen Freund aus der Produktion gefragt, seinen Namen sage ich nicht, was das für eine Lieferung sei. Und der hat gesagt, Doppelziff­erungen.

(Fortsetzun­g folgt)

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