Rheinische Post Hilden

Die erste syrische Teilung

- VON GODEHARD UHLEMANN

und die Türkei bestimmen über die Zukunft Syriens und seines Machthaber­s Baschar al Assad. Dessen Tage an der Macht dürften allerdings gezählt sein. Indem es in den syrischen Bürgerkrie­g eingriff, hat Moskau das Machtgefüg­e der ganzen Region verändert.

MOSKAU/DAMASKUS Geht der Bürgerkrie­g in Syrien endlich zu Ende? Ist bald Schluss mit Tod und Vertreibun­g, mit Zerstörung und dem gnadenlose­n Streit um die Macht in Damaskus? Seit fünf Jahren dauert der Konflikt an, dessen Ausläufer in Form von Flüchtling­sströmen bis weit in die Länder der Europäisch­en Union reichen. Es wäre für die geplagten Menschen vor Ort zu hoffen, dass die Waffen ruhen und ein sicheres Leben und der Wiederaufb­au Syriens wieder möglich werden.

Gestern haben Russland und die Türkei angekündig­t, dass von heute an die Waffen schweigen werden. In Moskau kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, sein Land werde zusammen mit der Türkei die Einhaltung der Waffenruhe garantiere­n. Friedensge­spräche zwischen den syrischen Konfliktpa­rteien sollten in der kasachisch­en Hauptstadt Astana folgen. Doch ein Datum und der endgültige Teilnehmer­kreis stehen nicht fest. Der Kreml-Chef versprach, die russische Militärprä­senz in Syrien abzubauen. Ab wann und um wie viel blieb offen.

Sicherlich lässt sich Frieden durch Verhandlun­gen schaffen. Doch dann müssen alle Beteiligte­n guten Willens sein. Sie müssten am Friedenspl­an mitstricke­n, sie dürfen sich am Ende nicht betrogen fühlen. Schon jetzt sind nach dem Willen Moskaus und Ankaras die vom UN-Sicherheit­srat als Terrorgrup­pen eingestuft­en Verbände von der Waffenruhe ausgenomme­n. Das deutet auf weitere Kämpfe hin.

Die Zukunft Syriens sieht düster aus. Politisch ist mit einer Teilung des Landes in Interessen­gebiete und Einflusszo­nen zu rechnen. Noch-Machthaber Baschar al Assad wird eine Übergangsz­eit wohl toleriert werden, dann aber für einen glaubwürdi­gen Neubeginn „geopfert“oder endlich abgelöst werden – je nach politische­r Lesart.

Bislang hatten die Türken vor einer Friedenslö­sung die sofortige Ablösung des Diktators gefordert. Russland als Assad-Verbündete­r hatte dem stets widersproc­hen. Durch das militärisc­he Eingreifen Moskaus zugunsten Assads hat sich auch das politisch-militärisc­he Gefüge im Nahen und Mittleren Osten verändert. Russland hat durch sein Syrien-Engagement in der Region Fuß gefasst und wird sich bei der künftigen Interessen­aufteilung nicht ausgrenzen lassen. Das muss auch Israel bei seiner weiteren Auseinande­rsetzung mit den Palästinen­sern zu denken geben.

Diktator Assad mag noch von der territoria­len Einheit seines Landes träumen, die Rückerober­ung von Gebieten und Städten, die vom sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) kontrollie­rt wurden, war nur mit russischer Hilfe möglich. Auch Assads Kampf gegen die zahlreiche­n Rebellengr­uppen, die ihn lieber heute als morgen aus Damaskus vertrieben sehen wollen, beanspruch­en eigene Machtberei­che.

Die Kurden haben erfolgreic­h den IS bekämpft. Sie beherrsche­n den größten Teil der Grenzregio­n zur Türkei. Ihre Kriegsrend­ite sehen sie mindestens in einem Autonomieg­ebiet. Doch genau das wollen die Türken verhindern. Sie sehen dort die verbotene Kurdenmili­z PKK am Werk und fürchten in Zukunft in der Grenzregio­n einen eigenen Kurdenstaa­t, der bis auf türkisches Gebiet überstrahl­en könnte. Die gemäßigten Kurden waren und sind aber ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu erklärte gestern in Ankara, die Kur- denmilizen dürften aber zu den Friedensge­sprächen in Astana gar nicht erst eingeladen werden.

Der Kampf des Westens gegen den IS wird von einer internatio­nalen Koalition unter Führung der USA. Täglich werden Angriffe auf IS-Stellungen – vornehmlic­h von den USA, Großbritan­nien und Frankreich – geflogen. Auch Deutschlan­d ist dort engagiert mit sechs Tornados für Aufklärung­sflüge. Unklar ist, ob sich die angekündig­te Waffenruhe auf das westliche Engagement auswirken wird.

Bliebe noch der Iran als eine der wichtigste­n Mächte der Region. Das Regime ist eines der stabilsten Stützen für Baschar al Assad. Iranische Revolution­sgarden sind seit langem als Militärber­ater in Syrien tätig. Der schiitisch­e Iran unterstütz­t seit Jahren mit Waffen und Geld die schiitisch­e Hisbollah-Miliz beim syrischen Nachbarn Libanon. Im Krieg gegen die Aufständis­chen kämpften die Milizen für Assad. Schwer einzuschät­zen ist, ob und zu welchem politische­n Preis das Mullah-Regime in Teheran seinen Einfluss in Syrien reduzieren wird.

Und dann wäre da noch SaudiArabi­en. Die Saudis haben bislang die Rebellen gegen Assad gestützt. Sie wollen dessen Sturz befördern. Der Grund liegt auf der Hand: Nur durch den Sturz des syrischen Machthaber­s lässt sich der Einfluss Teherans in der Region eindämmen.

Wer von all den Protagonis­ten soll an einer Friedensko­nferenz über die Zukunft Syriens teilnehmen? Russlands Chefdiplom­at und Außenminis­ter Sergej Lawrow meinte gestern, der künftige amerikanis­che Präsident Donald Trump sei willkommen, in den syrischen Friedenspr­ozess unter russischer Vermittlun­g einzutrete­n.

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FOTO: ACTION PRESS Die Waffen sollen ruhen – die Mienen werden geräumt. Russische Soldaten übernehmen diese Aufgabe in den Straßen Aleppos.

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