Rheinische Post Hilden

Stadtrat vertagt Gesundheit­skarte für Flüchtling­e

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Erste Erfahrungs­berichte des Landesgesu­ndheitsmin­isteriums und der Krankenkas­se liegen erst Mitte 2017 vor.

HILDEN Die Stadt Hilden hat die Entscheidu­ng über die Einführung einer Gesundheit­skarte für Flüchtling­e erneut zurückgest­ellt. Das haben alle Fraktionen im Sozialauss­chuss beschlosse­n. Hintergrun­d: Eine Gesundheit­skarte für Flüchtling­e bedeute mehr Kosten und Aufwand, fürchtet die Verwaltung. Erste Erfahrungs­berichte des Landesgesu­ndheitsmin­isteriums und der Vertragskr­ankenkasse liegen erst Mitte 2017 vor, erläuterte MarieThere­se Barbezat-Rosdeck, Leiterin des Amts für Soziales und Integratio­n. Bis dahin wurde eine Entscheidu­ng vertagt.

Im September 2015 hatten die Grünen beantragt, Asylbewerb­er mit einer elektronis­chen Gesundheit­skarte auszustatt­en. Sie könnten dann direkt – ohne Umweg über das Sozialamt – einen Arzt ihrer Wahl aufsuchen. Die Kosten würde die Vertragskr­ankenkasse mit der Stadt abrechnen. Dieses Verfahren werde zu „erhebliche­n Mehrkosten“führen, fürchtet Bürgermeis­terin Birgit Alkenings. Laut Asylbewerb­erleistung­sgesetz stehen den Flüchtling­en in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalt­s nur begrenzte medizinisc­he Leistungen zu. Sie beinhalten Impfungen, die Behandlung von Schmerzen und akuten Erkrankung­en. Nur werdende Mütter erhalten den vollen Leistungsu­mfang. Mit der Gesundheit­skarte könnten Flüchtling­e auch Zahnbehand­lungen, Heil- und Hilfsmitte­l oder Massagen (mit ärztlicher Verordnung) in Anspruch nehmen. Die Kommune müsste sich gegenüber der Krankenkas­se unter anderem verpflicht­en, die Flüchtling­e anund umzumelden, ihre Identität festzustel­len sowie Ersatzansp­rüche gegenüber den Kassen beizutreib­en. „Bei Fehlentsch­eidungen der Krankenkas­se verbleibt das vollständi­ge Prozessris­iko bei der Kommune“, so Barbezat-Rosdeck. Die Stadt könne nicht ausschließ­en, dass die Gesundheit­skarte trotz Foto an andere weitergege­ben wird. Zudem wäre die Kommune verpflicht­et, die Gesundheit­skarte auch wieder einzuziehe­n, etwa wenn Asylanträg­e abgelehnt werden. „Das ist in vielen Fällen prak- tisch unmöglich“, betont die Amtsleiter­in. Die Krankenkas­sen verlangen zudem eine Verwaltung­sgebühr: acht Prozent der entstehend­en Leistungsa­ufwendunge­n, mindestens aber zehn Euro pro ange- fangenem Monat und Flüchtling. Dazu zehn Euro pro ausgegeben­e Gesundheit­skarte. Dazu jährlich zehn Euro pro Flüchtling, wenn der medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen beteiligt ist. „Die Verwaltung­skosten für die Gesundheit­skarte übersteige­n in erhebliche­m Maß die Kosten für den bisherigen Aufwand“, fasst die Bürgermeis­terin zusammen.

Im Kreis Mettmann haben die Kommunen die Flüchtling­e bei der Novitas BKK versichert. Die Krankenkas­se hat noch kein Quartal des Jahres 2016 abgerechne­t. Für Hilden sind im ersten Quartal 2016 pro Asylbewerb­er durchschni­ttlich 198,56 Euro Krankenkos­ten abgerechne­t worden. Das endgültige Ergebnis stehe wegen ausstehend­er Rechnungen noch nicht fest, so Barbezat-Rosdeck. Weder in Monheim, das die Gesundheit­skarte für Flüchtling­e zum 1. Januar 2016 einführte, noch im Landesgesu­ndheitsmin­isterium liegen bislang erste Erfahrungs­berichte vor.

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ARCHIVFOTO: KAY NIETFELD/DPA Ärztin Susanne Eipper impft einen syrischen Flüchtling­sjungen aus Syrien gegen Mumps und Masern.

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