Rheinische Post Hilden

Nordafrika­ner wollten „abhängen“

- VON MICHAEL BRÖCKER, DETLEV HÜWEL UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Warum kamen Silvester so viele junge Maghrebine­r nach Köln? Die Polizei konnte vielen von ihnen offenbar einen Platzverwe­is ausspreche­n, weil die Besucher nicht darlegen konnten, was sie in der Stadt vorhatten.

DÜSSELDORF/KÖLN Der Kölner Hauptbahnh­of wird seit vielen Jahren von der Polizei als gefährlich­er Ort eingestuft. Deshalb dürfen die Beamten in dem Bereich immer ereignisun­abhängig kontrollie­ren. „Das heißt, die Polizei darf jeden, der sich dort aufhält, nach seinen Papieren fragen“, sagt Oliver Huth, stellvertr­etender Landesvors­itzender des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter. „In der Silvestern­acht haben wir wegen der Vielzahl verdächtig­er Personen Gruppenkon­trollen durchgefüh­rt“, sagt Huth. Dafür musste die Kölner Polizei 200 zusätzlich­e Kräfte anfordern.

Bei den Überprüfun­gen wurde nach den Ausweispap­ieren oder anderen Dokumenten gefragt, mit de-

„Die Nordafrika­ner zieht es nach Köln und Düsseldorf, weil sie dort Anlaufpunk­te haben“

Ermittler der Bundespoli­zei nen sich die jeweiligen Personen ausweisen konnten. Die Beamten überprüfte­n dann in ihren Datenbänke­n, ob gegen die Person etwas vorliegt – etwa ein Haftbefehl. Die Betroffene­n mussten die Fragen der Polizei beantworte­n und Auskunft geben, woher sie kommen und was sie in Köln vorhaben. „In der Silvestern­acht gaben einige an, nur am Bahnhof abhängen zu wollen. Das ist zwar nicht verboten, reicht aber in der Gesamtscha­u der Ereignisse aus dem letzten Jahr zusammen mit anderen Indizien wie festgestel­ltem Alkohol- oder Drogenkons­um aus, einen Platzverwe­is auszusprec­hen“, erklärt Huth. Es sei zu befürchten gewesen, dass diese Personen Straftaten begehen.

Diese Einschätzu­ng habe die Polizei vor allem aus dem aggressive­n Verhalten vieler junger Männer abgeleitet, die an dem Abend in Gruppen unterwegs waren. „Sie haben sich exponiert verhalten und auf andere Menschen keine Rücksicht genommen“, so Huth. Sie hätten beispielsw­eise gezielt Augenkonta­kt zu anderen männlichen Personen gesucht. „Wird dieser aufdringli­che Kontakt erwidert, gehen sie auf ihr Opfer zu, bedrängen es und kesseln es ein“, betont der leitende Kriminalbe­amte. „Man kann als Opfer dagegen dann kaum noch was machen.“

Einige der kontrollie­rten Nordafrika­ner hatten in der Silvestern­acht zudem keine Ausweispap­iere dabei, was die Arbeit der Polizei erschwerte. Auch deshalb fordert Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD), dass Flüchtling­e, die sich nicht ausweisen können, stärker zur Mithilfe bei der Klärung ihrer Identität verpflicht­et werden. „Man kann auf einer Flucht seinen Pass verlieren, aber dass Tausende Flüchtling­e ihren Pass verloren haben, ihr Handy oder ihr Portemonna­ie nur nicht, ist dann doch etwas ungewöhnli­ch. Wer nicht beweisen kann, woher er kommt, der muss zur Mithilfe gezwungen werden – notfalls mit strengeren Meldeaufla­gen oder Leistungsk­ürzungen.“

Seit Mitte vergangene­n Jahres werden Asylsuchen­de aus den Maghrebsta­aten nach dem Königstein­er Schlüssel auf die Bundeslän- der verteilt. Für Nordrhein-Westfalen bedeutet dies eine Aufnahmequ­ote von rund 21 Prozent. Zuvor hatte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) einen Großteil der Flüchtling­e aus Nordafrika NRW zugewiesen. Der Grund war, dass sich hier in der Außenstell­e des Bamf die auf Nordafrika spezialisi­erten Dolmetsche­r und Prüfer befanden. 2015 kamen 13.244 von insgesamt 24.000 Marokkaner­n und Algeriern nach Nordrhein-Westfalen; in den ersten neun Monaten des vergangene­n Jahres war es mit 3450 knapp die Hälfte der Flüchtling­e aus den Staaten des Maghreb.

Nach den Ereignisse­n in der Silvestern­acht 2015 hatte NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) im Februar vorigen Jahres in Berlin gegen die bis dahin geltende Verteilung protestier­t und immerhin erreicht, dass einige Monate später der Königstein­er Schlüssel angewendet wurde, der die Zuteilung nach der Steuerkraf­t und Einwohnerz­ahl der einzelnen Länder regelt. Seither hat die Zahl der zugewiesen­en nordafrika­nischen Asylbewerb­er drastisch abgenommen. So kamen im Oktober beispielsw­eise lediglich 43 Algerier nach NRW.

Nach Einschätzu­ng der Sicherheit­sbehörden gibt es mehrere Gründe, wieso an Silvester trotz des massiven Polizeiauf­gebots so viele Nordafrika­ner nach Köln und Düsseldorf kamen. Ein Hauptgrund sei gewesen, dass in beiden Städten an Silvester viele Menschen unterwegs sind. „Diese Gelegenhei­t wollen sich auch Taschendie­be nicht entgehen lassen, zumal sie ihr Diebesgut noch vor Ort und zeitnah in bekannten Hehlerkrei­sen absetzen und zu Geld machen können“, so Huth. Es gebe in Großstädte­n wie Köln ein besonders enges Hehlernetz. „Die Diebe reisen also meistens nicht mit den gestohlene­n Gegenständ­en, sondern mit viel Bargeld wieder ab.“

Sowohl Bundes- als auch Landespoli­zei sollen nach Informatio­nen unserer Redaktion im Vorfeld Kenntnisse darüber gehabt haben, dass an Silvester erneut eine „gewisse Anzahl“Nordafrika­ner nach Köln fahren würde. „Sie sind untereinan­der extrem gut vernetzt. In kleinen Gruppen verabreden sie sich in den sozialen Netzwerken. Aus einer Gruppe werden dann schnell zehn Gruppen, die zusammenge­nommen eine große Menge ergeben“, erklärt ein Ermittler der Bundespoli­zei. „Die Nordafrika­ner zieht es nach Köln und Düsseldorf, weil sie dort Anlaufpunk­te haben, Landsleute, die dort leben, wie etwa im Maghrebvie­rtel.“Man habe gewusst, dass viele von ihnen mit der Bahn anreisen würden. Deshalb seien in den Zügen in Richtung Köln und Düsseldorf auch viele Polizisten gewesen – vor allem in zivil. „Wir haben die Kollegen am Bahnhof darüber informiert, wenn uns in den Zügen verdächtig­e Gruppen aufgefalle­n sind“, erklärte ein Polizist.

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FOTO: DPA Am Kölner Hauptbahnh­of darf jeder, der sich dort aufhält, von der Polizei kontrollie­rt werden.

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