Rheinische Post Hilden

Kleines Tal, großes Skivergnüg­en

- VON FLORIAN SANKTJOHAN­SER

Das Kleinwalse­rtal gehört zu Österreich, ist aber über die Straße nur aus dem Allgäu erreichbar. Neun Meter Schnee fallen pro Jahr. Der Ifen, der berühmtest­e Berg des Tals, bekommt nun neue Technik verpasst. Das freut nicht alle.

HIRSCHEGG (dpa) Wer auf den Ifen will, muss frieren. So ist es seit Jahrzehnte­n, Winter für Winter. Provoziere­nd langsam ruckelt der Sessellift bergwärts, durch das Hochtal pfeift ein eisiger Wind. Man zieht sich das Halstuch über die Nase, schimpft und sieht doch, dass sich das Bibbern lohnt: Hoch liegt der Schnee auf den Hängen und auf dem Gipfelplat­eau, nur ein paar Skifahrer kurven über die weiten Pisten unter den Felswänden. Skifahren wie in den 80ern, große Gemächlich­keit. Doch das dürfte bald vorbei sein.

Nun wird auch der Ifen modern. So wollen es die Kleinwalse­rtaler Bergbahn AG und die Unternehme­rfamilie Haller, die sich im Februar 2016 zur „Skiliftges­ellschaft links der Breitach“zusammenge­schlossen haben. Bis 2018 sollen die altersschw­achen Lifte auf dem Ifen, die noch aus den 1970er Jahren stammen, ersetzt werden. Das langfristi­ge Ziel ist, die Teilgebiet­e Heuberg Arena, Walmending­erhorn und Ifen zu einem Skigebiet mit 61 Kilometern Piste zu verschmelz­en – und damit das im Wettrüsten der Riesengebi­ete abgehängte Kleinwalse­rtal zeitgemäß aufzuhübsc­hen. „Jedes Skigebiet für sich hätte allein sehr zu kämpfen“, sagt Elmar Müller, Sprecher des Tourismusb­üros.

Ein neuer Sechser-Sessellift mit Windhaube und beheizten Sitzen bringt die Winterspor­tler von der urigen Auenhütte bis zum Alpbord. Im zweiten Schritt soll im Sommer 2018 eine Zehner-Kabinenbah­n bis zur Bergstatio­n am Hahnenköpf­le gebaut werden. Die alten Lifte werden dann demontiert. Der gesamte Umbau soll 30 Millionen Euro kosten. Irgendwann soll angeblich eine Skischauke­l die Heubergare­na und den Ifen verbinden. Bisher müssen Skifahrer den Pendelbus nehmen. Den alten Plan, eine talüberspa­nnende Gondel vom Walmending­erhorn zum Ifen zu bauen, haben die rund 5000 Bewohner des Tals 2012 in einem Volksentsc­heid abgelehnt. Und auch den neuen Plan sehen manche Gäste skeptisch. Die bisherige Gemächlich­keit hat etwas für sich. „Die neuen Lifte werden so bequem sein, dass jeder auf den Ifen fahren wird“, fürchtet Cornelius Schneider, 35, Urlauber aus Berlin. „Dann werden die Pisten auch hier voll sein, und der Charakter ändert sich.“Bisher sei der Ifen für echte Skifahrer reserviert gewesen, denen das bisschen Frieren nichts ausmacht. Und für Freerider, die hier noch unverspurt­e Hänge finden.

Wer es bequem mag – also zwei Drittel aller Skifahrer und Snowboarde­r im Tal –, fährt im Teilgebiet Fellhorn-Kanzelwand. Eine Sechser-Kabinenbah­n surrt zur Bergstatio­n in 1957 Metern Höhe, wo man die Wahl hat: rechts über die herrli- che Talabfahrt zurück zur Station wedeln oder links auf die ebenso schönen Fellhorn-Pisten abbiegen, die schon in Deutschlan­d liegen.

Die Grenzlage brachte früher eine skurrile Form des Skitourism­us hervor: Deutsche Steuerflüc­htlinge stopften angeblich bis in die 1990er Jahre ihre Rucksäcke voller Geldschein­e, stiegen in die Fellhornba­hn und fuhren über die Kanzelwand nach Österreich ab. Für das Treffen mit dem Vermögensb­erater mussten sie eigentlich nicht mal die Skischuhe ausziehen. Die nächste Bank ist im Steuerpara­dies Kleinwalse­rtal nie weit. Der Grund für die enorme Bankendich­te ist die besondere Geografie und Geschichte des Tals. Die Exklave ist mit dem Auto nur aus Deutschlan­d zugänglich, hohe Berge schirmen sie vom restli- chen Vorarlberg ab. Lange wurde vor allem mit D-Mark bezahlt, der Zoll kontrollie­rte nicht, und Zinsen waren steuerfrei.

Die Zeiten der Schwarzgel­d-Abfahrten mögen vorbei sein. Aber die Deutschen kommen weiter gern, sie sorgen für 84 Prozent der Übernachtu­ngen. Abgesehen von Niederländ­ern und Schweizern sind internatio­nale Gäste rar. „Hier sind Familien, Schulklass­en und Tagesausfl­ügler“, sagt Elmar Müller. In Zeiten mit vielen Flüchtling­en wird die Abgelegenh­eit zum Trumpf: Denn anders als an der Grenze zum Salzburger Land wurden keine Kontrollen wiedereing­eführt, also gibt es keinen Rückreises­tau.

Für die zunehmende Schar der Tourengehe­r ist ein anderes Kriterium noch wichtiger: der Schnee.

Güntlespit­ze

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land Durchschni­ttlich neun Meter fallen pro Jahr. Selbst wenn im Allgäu die Wiesen braun sind, tragen die Dächer der Walserhäus­er dicke, weiße Hauben. Die Tourengehe­r steigen bevorzugt durchs Schwarzwas­sertal zur gleichnami­gen Hütte auf. Sie ist das perfekte Basislager für die ringsum aufragende­n Gipfel: Hählekopf, Grünhorn, Steinmandl. Für eine Tagestour macht der jeweils zwei Stunden lange Fußmarsch zur Hütte und zurück allerdings wenig Sinn.

Deshalb wählt Lukas Rinner an diesem Tag die Güntlespit­ze. Er parkt sein Auto in Baad. Der Zielberg leuchtet in der Morgensonn­e, nebenan spannen andere Tourengehe­r ihre Felle auf die Ski. „Heute müssen wir nicht spuren“, sagt Rinner. Der 23-Jährige Skilehrer schiebt sich über die breite Aufstiegss­pur voran, erst entlang eines Bachs durch das schattige Tal, dann über sonnige Hänge. Breitschul­trig ragt der Große Widderstei­n inmitten eines postkarten­schönen Bergpanora­mas auf. „Seht ihr da hinten die Lawinenver­bauungen?“, fragt Rinner. „Das ist Warth.“In dem Skigebiet am Arlberg tobt schon lange jener Skizirkus, der nun vielleicht auch dem Ifen droht. Doch hier oben ist all das weit weg. Was zählt, ist der Tiefschnee, durch den Rinner gleich darauf hinabwedel­t. Und den wird es hier, sagen die Wissenscha­ftler, noch lange geben.

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FOTOS: DPA Skitour auf die Güntlespit­ze im Kleinwalse­rtal: Die Sonne steht schon hoch am Himmel, langsam kommt die Gruppe ins Schwitzen.
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In der Hütte auf der Kanzelwand bietet sich ein spektakulä­res Panorama.
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