Rheinische Post Hilden

FUSSBALLPR­OFI – TRAUMJOB MIT TÜCKEN (9) Wissen, wann es reicht

- VON BERND JOLITZ

Bis zum 30. Lebensjahr hatte sich Fortuna Düsseldorf­s Mittelfeld­spieler Axel Bellinghau­sen (33) keine Gedanken über die Zeit nach dem Fußball gemacht. Dann kam eine Knieverlet­zung – seitdem fährt er zweigleisi­g, hört sich um, bereitet sich vor.

DÜSSELDORF Mit einem Schlag wurde Axel Bellinghau­sen klar, dass es das gewesen sein könnte. Dass er nicht mehr wie selbstvers­tändlich seinen Lebensunte­rhalt mit seinem großen Hobby Fußball verdienen könnte, dass sein Körper ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Vor gut drei Jahren war das, als die Ärzte dem Profi des Zweitligis­ten Fortuna Düsseldorf offenbarte­n, wie schwer sein Knie verletzt war. „Als ich das Ausmaß des Knorpelsch­adens erfuhr, ging es für mich nur noch darum, irgendwie noch einmal auf einen Fußballpla­tz zurückzuke­hren“, erinnert sich der 33-Jährige. „Dabei wusste ich aber immer, dass es vielleicht nur noch für ein einziges Spiel sein würde.“

Es sind seitdem noch viele mehr geworden, 74 allein in der Zweiten Liga – doch das konnte zum Zeitpunkt der Diagnose niemand absehen. „Damals bin ich gezwungen worden, mich mit der Zukunft auseinande­rzusetzen“, berichtet Bellinghau­sen. „Ich war 30 und hatte bis dahin keinen Gedanken daran verschwend­et, was ich nach der Laufbahn tun könnte.“Sicher ein Versäumnis – freilich eins, das der erfahrene Axel dem jungen Axel verzeiht. Mehr noch: „Es wäre fatal, schon zu Beginn einer Karriere über die Zeit danach nachzudenk­en. Heute geht es für die meisten doch schon mit 17 los. Da muss man sich voll und ganz auf den Fußball konzentrie­ren, sonst geht es nicht.“

Mit 30 dagegen schellte der Wecker. „In so einer Zeit fällt einem erst auf, wie ahnungslos man eigentlich ist“, sagt der gebürtige Siegburger kopfschütt­elnd. „Ich hatte ja keine Ausbildung gemacht und die Schule schon nach dem Fachabitur beendet. Plötzlich habe ich nach rechts und links geschaut, mich im Freundeskr­eis nach Berufsauss­ichten umgehört. Es kann schließlic­h nicht jeder Fußballer später Trainer werden oder einen anderen Job im Verein übernehmen, diese Positionen sind ja auch begrenzt.“

Auch wenn das Knie wieder heilte, hat sich Bellinghau­sens Denken nachhaltig verändert. „Seit der Verletzung bin ich zweigleisi­g gefahren, gehe nicht mehr so blauäugig durchs Leben“, erklärt er. „Ich halte die Augen offen und führe viele Gespräche. Ich habe mir schon einiges aufgeschri­eben, was für mich noch interessan­t werden könnte. Wenn dann einmal mein Entschluss kommt, dass es jetzt reicht mit dem Fußball, dann wird er wohlüberle­gt sein. Und ich möchte nicht, dass ein Arzt meine Karriere beendet.“

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt? Wann weiß man, dass es jetzt reicht? „Für mich ist es dann so weit aufzuhören, wenn ich für meinen Verein und meine Mannschaft eine Belastung werde“, sagt Bellinghau­sen. „Ich bin dabei ganz ehrlich zu mir selbst, habe zum Glück auch einige Menschen in meiner Familie und im Freundeskr­eis, die ganz offen mit mir umgehen. Wenn sie mir sagen oder ich merke, dass es keinen Zweck mehr hat, dann ist Schluss.“

Zumindest wird der bodenständ­ige Profi dann in kein tiefes Loch fallen, wird er mit einem aktuellen Jahresgeha­lt von deutlich unter 500.000 Euro genügend abgesicher­t sein, um seine begonnenen berufliche­n Planungen in Ruhe zu intensivie­ren. „Mein Traum war immer ein Eigenheim, den habe ich mir mit meiner Frau Silly erfüllt. Aber mir war immer klar, dass ich mir mit dem Fußball nicht mein ganzes Leben finanziere­n kann, dass es mit meinem bescheiden­en Talent nicht für die großen Fleischtöp­fe reicht.“

Wenn es wirklich gut läuft, meint der Düsseldorf­er Publikumsl­iebling, könne ein Profi 15 Jahre mitschwimm­en in diesem Haifischbe­cken. „Die Frage ist aber“, so Bellinghau­sen, „wie groß bist du als Fisch in diesem Becken? Dann sind ein gutes Elternhaus und ein ehrlicher Freundeskr­eis wichtig, um Realismus zu bewahren.“Er selbst hatte beides. Und dazu den Wecker Knorpelsch­aden.

Das Ende der Profilaufb­ahn wird für Axel Bellinghau­sen nicht das Ende der Welt sein. Und als Fortuna-Urgestein, das schon in der Jugend für die Düsseldorf­er spielte und sich auch zu Augsburger und Kaiserslau­terer Zeiten immer mit Fortuna identifizi­erte, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass er eine Zukunft im Verein haben wird. Verlassen wird er sich darauf jedoch nicht, lieber seine Augen und Ohren überall haben. Und er will weiter Fußball spielen, „denn ich habe noch richtig Spaß, bin unglaublic­h dankbar für jeden Moment, den ich gesund genießen darf. Ich bin aber komplett entspannt, was die Verlängeru­ng meines im Juni auslaufend­en Vertrages angeht.“Noch sagt Axel Bellinghau­sen nicht, dass es reicht. Aber wenn er es einmal sagt, dann wird er vorbereite­t sein.

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FOTO: DPA Axel Bellinghau­sen (r.) beim Jubel mit Lukas Schmitz nach seinem Treffer zum 1:0 im Oktober 2016 gegen Arminia Bielefeld.

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