Rheinische Post Hilden

In acht Doppelstun­den zum Literaturk­enner

- VON MAXIMILIAN KNAUP

Der Kurs „Literatur-Lesen“mit Heinz-Norbert Jocks stellt im Heine Haus Fragen zur Herkunft und Identität.

Die Buchhandlu­ng Müller & Böhm im Heine Haus nennt sich mit Recht „Literaturh­andlung“. In ihr findet sich fast alles, was das Herz eines Lesers höherschla­gen lässt. Im Heine-Café hinten beginnt an diesem Donnerstag das neue Semester des Kurses „Literatur-Lesen“. Dozent ist Heinz-Norbert Jocks. Freiberufl­ich als Autor, Journalist, Essayist und Ausstellun­gsmacher tätig, pendelt er für seine diversen Projekte zwischen Düsseldorf, Paris und Peking. So auch in diesen ersten Tagen des Jahres. Für das neue Literaturk­ursSemeste­r kam Jocks tags zuvor aus Paris. Dort haben in den vergange- nen Jahren zwei Bücher für Furore gesorgt, die aktuell auch in Deutschlan­d beachtet werden: Die Autobiogra­fie „Rückkehr nach Reims“des renommiert­en Soziologen Didier Eribon und Édouard Louis’ Roman „Das Ende von Eddy“.

Eribon kehrt anlässlich des Todes seines Vaters nach Jahrzehnte­n in die Heimatstad­t zurück und sieht sich dort mit seinem Herkunftsm­ilieu konfrontie­rt, das er längst hinter sich gelassen glaubte. Sein Buch verknüpft die eigene Lebensgesc­hichte mit soziologis­cher Analyse. Es erzählt vom Weg des jungen Homosexuel­len zu einem der anerkannte­sten Intellektu­ellen Frankfreic­hs. Zudem skizziert es den Weg der linken Arbeiterkl­asse, die heute politisch größtentei­ls zum Front National übergelauf­en sind.

Zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung seines Debütroman­s „Das Ende von Eddy“war Édouard Louis 21 Jahre alt. Er erzählt darin, wie furios und gewalttäti­g eine kollektive Abwehrreak­tion gegen einen Außenseite­r ausfallen kann. Beschriebe­n wird die Problemati­k von Kind- heit und Erwachsenw­erden am gesellscha­ftlichen Rand. Die Geschichte von Eddy Bellengueu­le, einem Alter Ego des Autors, ist eine kompromiss­lose und kühle Abrechnung, gepaart mit einem Aufbegehre­n gegen die Macht der unfreiwill­ig festgesetz­ten Herkunft.

Um das Thema Kindheit soll es vordergrün­dig in den nächsten acht Doppelstun­den gehen, erörtert anhand der Bücher von Eribon und Louis. Die sieben Teilnehmer­innen, die sich bisher für den Kurs angemeldet haben, berichten in einer kurzen Vorstellun­gsrunde von langjährig­en Erfahrunge­n mit HeinzNorbe­rt Jocks und seinem Literaturk­urs. Diesen bietet er schon seit über dreißig Jahren an, und manche der anwesenden Frauen sind von Anfang an dabei. Sie schätzen vor allem Jocks’ Fähigkeit zum intellektu­ell anregenden Dozieren. Er selbst ist angetan vom spannenden Identitäts- und Selbstfind­ungsprozes­s, der in beiden Publikatio­nen eine Rolle spielt. Auf die Frage, warum er gerade diese beiden Texte ausgewählt hat, sagt Jocks: „Es liegt nicht daran, dass beide Bücher momentan Bestseller sind. Die Bücher haben mich interessie­rt, weil sie thematisch so eng miteinande­r verbunden sind.“Man darf gespannt sein, wie sich dieses Wechselspi­el in den noch folgenden Literaturg­esprächen entwickeln wird.

Den Kurs gibt es seit über dreißig Jahren; manche Teilnehmer sind

von Beginn an dabei

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