Rheinische Post Hilden

Tief in der deutschen Provinz

- VON TIM SLAGMAN

Im TV-Film „Der mit dem Schlag“auf Arte beseelt der Drang der Groteske.

STRASSBURG/MAINZ (kna) So beginnen Kinomärche­n – Filme, die von der Kraft und Fantasie des Einzelnen erzählen, der sich als romantisch­er, genialer Träumer durchsetzt gegen die bürokratis­chen Pfennigfuc­hser in seiner Umgebung.

Der romantisch­e, geniale Träumer heißt hier Felix Grünler. Sein Traum ist eine bombastisc­he Festtagsbe­leuchtung für sein Heimatkaff. Doch auch in diesem Jahr blitzt er wie schon so oft zuvor gnadenlos ab beim Bürgermeis­ter Kelmer, den Armin Rohde mit seiner gewohnt wuchtigen Schnoddrig­keit gibt. Weihnachte­n, das bedeute Tradition, heißt es im Stadtvorst­eherbüro – und Veränderun­gen wollten die Menschen ohnehin nicht.

Es ist kein klassische­s Märchen, das Christian Jeltsch da geschriebe­n und Lars Becker inszeniert hat. Ein wenig zu verschrobe­n tapst Hinnerk Schönemann mit weitgehend unbewegter, oft genug verständni­sloser Miene über die Hinderniss­e, die ihm in den Weg gelegt werden. Und ein wenig zu drastisch fallen diese Hinderniss­e aus – eines Morgens liegt die Mutter tot auf dem Sofa, und weil Bruder Ingo (Kurt Krömer) im Testament nur mit der Plattensam­mlung von Petula Clark bedacht wird und nicht etwa mit dem Familienha­us, lässt Felix’ herrlich schrecksch­raubige Schwägerin Karin (Marlene Morreis) ihn kurzerhand in die Psychiatri­e einweisen.

So wie Jeltschs Figuren unterwegs immer wieder ins Karikature­ske kippen, so zugespitzt schmiedet er die Konflikte und Wirrungen, durch die sich der arme Felix Grünler schlagen muss, der zu alledem auch noch von seiner Freundin Melanie (Lisa Maria Potthoff) den Laufpass bekommt. Szenen fallen aufeinande­r, in atemberaub­endem Tempo entspinnt sich die perfekte Intrige. Bis zur Ankunft in der Psychiatri­e gibt es keine Reflexion, keine Chan- ce zum Hinterfrag­en des ganzen Irrwitzes – nur die kleine, reduzierte Welt von Gericht, Elternaben­d und dem maroden Elektrolad­en im Erdgeschos­s der Immobilie.

Es ist dabei nicht der kreative Irrealismu­s des Märchens, der die Geschichte beseelt, sondern der anarchisch­e, bisweilen fiese, wenn hier auch immer wieder gezähmte Drang der Groteske.

„Der mit dem Schlag“, Arte, 20.15 Uhr

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FOTO: ARTE Felix (Hinnerk Schönemann) zeigt Melanie (Lisa Maria Potthoff) „Lotheim leuchtet“– ein Projekt, das bereits sein Vater begann.

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