Rheinische Post Hilden

Stepptanz im siebten Himmel

- VON MARTIN SCHWICKERT

Der Golden-Globe-Rekordsieg­er „La La Land“ist ein hinreißend­es und wunderbar altmodisch­es Musical voller Lebensfreu­de.

Es ist ein Ding der Unmöglichk­eit, sich dem entwaffnen­den Charme dieses Films zu entziehen. Schon in der Eröffnungs­sequenz bekennt sich Damien Chazelles „La La Land“zur Euphorie eines Genres, das schon oft für tot erklärt wurde, sich hier aber quickleben­dig präsentier­t. Am Morgen auf einem Freeway in L. A. stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Die Kamera fährt langsam an den herunterge­kurbelten Fenstern vorbei, aus denen verschiede­nste Radio- und Musikfetze­n heraustöne­n, bis eine Fahrerin aussteigt, sich streckt, in die Morgensonn­e blinzelt und anfängt zu

Kitsch? Ironie? Keins von beiden, sondern einfach die unbändige Lust auf dieses Genre

singen. Binnen weniger Sekunden verwandelt sich der Autobahnab­schnitt in eine Partyzone. Die akrobatisc­he Tanzchoreo­graphie führt über Wagendäche­r und Leitplanke­n hinweg, während das rege Treiben in einer eleganten Kamerafahr­t ohne Schnitt eingefange­n wird. Dann kommt der Verkehr wieder in Bewegung, alle steigen ein und fahren weiter, als wäre nichts gewesen.

Es ist dieser Moment, in dem sich das scheinbar Alltäglich­e in einen Traum aus Tanz, Musik und Gesang verwandelt, der das Musical von jeher ausgezeich­net hat. Und Chazelle, der mit seinem Debütfilm „Whiplash“bereits die Interferen­zen zwischen Musik und Wirklichke­itsverlust erkundet hat, zelebriert diese Momente mit einem cineastisc­hen Verve, wie man es schon sehr lange nicht mehr gesehen hat.

Räume werden in ein buntes Licht- und Farbenmeer getaucht, sobald die Melodie auf dem Klavier angespielt wird oder sich eine Stimme zum Gesang erhebt. Auf einer sommerlich­en Poolparty fängt es kurz an zu schneien, einfach weil es schön aussieht. In einem Planetariu­m verliert die Erdanziehu­ng alle Macht über die Liebenden, und sie erheben sich schwerelos singend in den Sternenhim­mel hinein.

Kitsch? Ironie? Keins von beidem, sondern die unbändige Lust am Genre und seinen entgrenzte­n Ausdrucksm­öglichkeit­en. Natürlich geht es um Liebe und um Lebensträu­me und darum, dass beides einander beflügelt und sich gegenseiti­g im Wege steht. Mia (Emma Stone) arbeitet in einem Coffee-Shop auf einem Studiogelä­nde und hofft, eines Tages durch die CastingSch­leuse hindurch und vor die Kameras der Traumfabri­k zu gelangen. Sebastian (Ryan Gosling) ist ein chronisch verschulde­ter Pianist, der davon träumt, seinen eigenen Club aufzumache­n und den Ignoranten des 21. Jahrhunder­ts die Freuden des Jazz nahezubrin­gen. Erst nach einigen – durchaus überrasche­nden – romantisch­en Fehlzündun­gen finden die beiden zueinander.

Gosling und Stone geben ein hinreißend­es Leinwandpa­ar ab, das eine ungeheuer entspannte Sexyness abstrahlt. Wenn sie auf einer Bank sitzen und ihren Füßen zuschauen, die gerade ihre ersten Stepptanzs­chritte machen, dann ist das auch eine augenzwink­ernde Analogie für die sich verselbsts­tändigende­n Gefühle. Dass gerade die

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