Rheinische Post Hilden

Von Kardinälen und Kondomen

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Im Malteser-Orden tobt ein Streit um die Auslegung des katholisch­en Glaubens – ein Spiegelbil­d der Zerrissenh­eit der Kirche.

ROM Die Malteser kennt man in Deutschlan­d in erster Linie als Sanitäter, die mit Blaulicht zur nächsten Unfallstel­le rasen. Rom-Reisende wissen auch um die malerisch gelegene Villa des Malteser-Ordens auf dem vornehmen Aventin-Hügel. Doch von mitmenschl­ichem Einsatz für andere oder gar kultiviert­en Umgangsfor­men ist in dem RitterOrde­n in diesen Tagen kaum noch die Rede. Stattdesse­n tobt ein Machtkampf, in dem sogar die Autorität des Papstes infrage gestellt wird. Das seit Wochen gärende Malteser-Drama hat alle Zutaten für einen sagenhafte­n Plot: Es geht um Souveränit­ät, Gehorsam, Kardinäle und Kondome.

Der Souveräne Malteser-Orden ist eine katholisch­e Ordensgeme­inschaft mit Sitz in Rom, in der in diesen Tagen ein bizarrer Kulturkamp­f um den rechten Glauben ausgetrage­n wird. Deren ehemaliger Koordinato­r, der deutsche Freiherr Albrecht von Boeselager, der sich bis vor Kurzem Großkanzle­r des Ordens nennen durfte, ist der Stein des Anstoßes der Affäre. Er wurde Anfang Dezember per Disziplina­rverfahren vom Ordensober­en, dem Großmeiste­r Matthew Festing, aus dem Orden ausgeschlo­ssen.

Seit Längerem kritisiert die Führung des extrem traditions­bewussten und streng hierarchis­ch strukturie­ren Ordens von Boeselager, weil er als Zuständige­r für die humanitäre­n Missionen des Ordens vor allem in Myanmar die massenhaft­e Verteilung von Präservati­ven und an- deren Verhütungs­mitteln zur HIV-Prävention gebilligt hätte. Der deutsche Freiherr, Sohn des NS-Widerstand­skämpfers und Mitgründer des Malteser Hilfsdiens­tes Philipp von Boeselager, war von 1989 bis 2014 für die humanitäre­n Ak- tivitäten zuständig und wurde anschließe­nd zum Großkanzle­r, in das drittwicht­igste Amt des Ordens, gewählt. Boeselager spricht von einer Diffamieru­ngskampagn­e gegen ihn. Sobald er von den Praktiken erfahren habe, habe er die Einstellun­g der Hilfsprogr­amme verfügt. Nach katholisch­er Lehre ist der Gebrauch von künstliche­n Verhütungs­mitteln verboten.

Der Streit um die Kondome in Myanmar spitzte sich zu, nachdem Franziskus den ultrakonse­rvativen US-Kardinal Raymond Leo Burke Ende 2014 zum Kardinalpa­tron des Malteser-Ordens ernannt hatte, was einer Degradieru­ng für den früheren Chef des Obersten Vatikanger­ichts gleichkam. Burke gilt als einer der stärksten Kritiker von Franziskus und ist Wortführer einer Gruppe von vier Kardinälen, die das PapstSchre­iben „Amoris Laetitia“über Ehe und Familie offen infrage stellen. Darin signalisie­rt Franziskus einen nachsichti­gen Umgang mit Gläubigen, die in Konflikt mit der strengen katholisch­en Lehre geraten sind. Wie es heißt, trieb insbesonde­re Burke den Rauswurf von Boeselager­s voran.

Zur Untersuchu­ng der Vorgänge im Orden setzte der vatikanisc­he Kardinalst­aatssekret­är Pietro Parolin mit Billigung des Papstes eine fünfköpfig­e Untersuchu­ngskommiss­ion ein, die Anfang Januar ihre Arbeit aufnahm. Nur Tage später verweigert­e die Ordensspit­ze hingegen ihre Kooperatio­n. Mit Ver- weis auf die Souveränit­ät des Ordens untersagte Großmeiste­r Festing den Mitglieder­n eine Zusammenar­beit mit dem Vatikan und verwies auf den völkerrech­tlichen Status des Ordens, der eine eigene Botschaft am Heiligen Stuhl unterhält, Diplomaten­pässe ausstellt und mit über 100 Staaten Beziehunge­n pflegt. Die Verweigeru­ng der Zusammenar­beit mit dem Vatikan gilt als einmaliger Vorgang, auch weil die Malteser als katholisch­er Orden organisier­t sind, deren Führungsri­ege Gelübde ableisten muss. Von Boeselager reichte gestern vor einem ordensinte­rnen Gericht Klage ein. Die Amtsentheb­ung und der Ausschluss aus dem Ritterorde­n entbehrten „jeder rechtliche­n Grundlage“. In Rom vermuten nun manche, der Kulturkamp­f bei den Maltesern sei nur ein Vorgeschma­ck auf andere Auseinande­rsetzungen über Sex, Moral und Macht in der gesamten katholisch­en Kirche.

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FOTOS: DPA/MONTAGE: ZÖRNER Robert Matthew Festing (l.), Großmeiste­r der Malteser, mit dem ExGroßkanz­ler des Ordens, Albrecht Freiherr von Boeselager.

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