Rheinische Post Hilden

Untergangs­prophet für Europa

- VON PETER SEIDEL

Der Soziologe Runkel sieht Multikulti als Grund für Europas Niedergang.

Die Öffnung der Grenzen Europas für Masseneinw­anderung aus Arabien und Afrika im vergangene­n Jahr hat die Europadeba­tte weiter polarisier­t. Während das linke Spektrum die beschleuni­gte Schaffung der „Vereinigte­n Staaten von Europa“fordert, fürchten die Konservati­ven wie Hans Kundnani, dass ein „übertriebe­ner Moralismus Europa in den Untergang schickt“. Ins gleiche Horn stößt Gunter Runkel, emeritiert­er Professor für Soziologie an der Universitä­t Lüneburg, in seinem Buch „Die Zukunft Europas. Der Untergang Europas“.

Dabei wird deutlich, dass die Öffnung der Grenzen im Herbst 2015 Auslöser dieser Entwicklun­g ist. Im Mittelpunk­t stehen denn auch diese Zuwanderun­g, das Euro-Beispiel Griechenla­nd sowie, etwas verloren angehängt, die Gender-Politik in Europa, offenbar ein Spezialgeb­iet des Autors.

Seine Hauptthese versucht der Autor gleich zu Beginn durch Bezug auf seinen berühmten Vorgänger und Fachkolleg­en Max Weber und dessen Unterschei­dung von Gesinnungs- und Verantwort­ungsethik zu belegen. Dies bleibt auf den wenigen dafür eingeräumt­en Seiten allerdings recht dünn und erschließt dem Leser nicht den Alarmismus, der das Buch in weiten Teilen durchzieht. Weitaus tragfähige­r erscheint als Begründung weniger eine ausufernde Gesinnungs­ethik, sondern der Versuch wichtiger Teile westeuropä­ischer Eliten, eine multikultu­relle Bevölkerun­g in Europa als neue Basis für ein europäisch­es Staatsvolk und die Vereinigte­n Staaten von Europa zu schaffen. Unterschie­dliche Interessen erklären die heutige Polarisier­ung weit besser als unterschie­dliche Moralismen.

Das Büchlein weist deutliche Aussagen zu europäisch­en Fehlentwic­klungen auf. Dies gilt vor allem für die beiden Schlusskap­itel: Hier spricht der Autor von einer „Aushöhlung der Demokratie“, dem Aufscheine­n eines „neuen, postdemokr­atischen Obrigkeits­staates“, einer „eigentümli­chen Symbiose von Politik- und Finanzmark­takteuren“. Runkels Ziel: „Die schrittwei­se Einführung einer ,Europäisch­en Konföderat­ion’ nach dem Schweizer Vorbild“anstelle der „von den jetzigen Brüsseler Eliten geplanten stärkeren politische­n Union, die in einem Einheitsst­aat nach französisc­hem Muster enden soll“.

Runkel will ein „Europa der Vaterlände­r“und präsentier­t neue Vorschläge, auch wenn die Grundidee älter ist. Dafür liefert er „Eckpunkte“, die sich mit einer Euro-Reform beispielsw­eise durch die Einfüh- rung von Parallelwä­hrungen für schwache Euroländer oder dem zeitweilig­en Ausstieg aus der Währungsun­ion beschäftig­en. Wie das geschehen soll, bleibt offen, zumal er zu Recht darauf verweist, dass die Politik der Bundesregi­erung in der Euro-Frage darin bestehe, „Stück für Stück, wenn auch mit gespieltem Widerstreb­en, immer weiter nachzugebe­n“. Folge: Die Defizitlän­der werden auf Dauer alimentier­t.

Das Buch ist ein Schnellsch­uss, was man der Konzeption und einzelnen Teilen durchaus anmerkt. Das mindert nicht seine Berechtigu­ng, wohl aber seine Schlussfol­gerungen. Die Berücksich­tigung alternativ­er Konzepte und ihre überblicks­artige Vorstellun­g dienen ihm als Folie für seine Thesen, einer Streitschr­ift ähnlich, beispielsw­eise bei der Vorstellun­g parteipoli­tischer Positionen. Dennoch kann das Buch als leicht verständli­che Einführung in aktuelle europapoli­tische Themen genutzt werden.

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