Rheinische Post Hilden

Grobheit darf nicht salonfähig werden

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Manchmal ist es durchaus angebracht, die Dinge grob zu betrachten. Das Markante tritt dann deutlicher hervor. Man sieht auch eher, wenn etwas aus der Balance gerät. Es fällt dann etwa auf, wenn in einer Gesellscha­ft die Erfolgreic­hen immer mehr Ressourcen anhäufen, während die Abgehängte­n auf eine immer tiefere Kluft zum Rest der Gesellscha­ft blicken. Und nicht sehen, wie sie die noch überwinden sollen.

Man muss solche Entwicklun­gen differenzi­ert betrachten, präzise schauen, welche Bevölkerun­gsschichte­n durch welche politischö­konomische­n Entwicklun­gen bevorzugt oder benachteil­igt werden. Aber bei aller gebotenen Genauigkei­t ist es eben auch wichtig, bisweilen mit einem gröberen Blick auf die Verhältnis­se zu blicken. Manche Wahrheiten treten erst dann deutlich hervor. Und lassen sich nicht mehr so leicht wegdiskuti­eren.

Ein neuer Ton hat Einzug gehalten in politische Auseinande­rsetzungen. Eine Grobheit, die Entschloss­enheit vermitteln soll. In Wahrheit dient sie nur der Einschücht­erung – und macht echte Debatten unmöglich.

Hemdsärmel­igkeit in diesem Sinne ist erhellend. Und es ist vielleicht eine Stärke des künftigen US-Präsidente­n Donald Trump, dass er aus gewohnten Denk- und Sprechmust­ern ausbricht. Konvention­en zu unterlaufe­n, fördert Verdrängte­s zutage. Doch das grobe Raster, das durch Weglassen vorübergeh­end Klarheit schafft, ist etwas anderes als Grobheit, als demonstrat­ive Derbheit. Die selbstbewu­sst ausgelebte Unkultivie­rtheit wird aber salonfähig, seit Figuren wie Trump im öffentlich­en Raum die Grenzen des Sagbaren verschiebe­n. Rhetorisch­es Randaliere­n soll Macht und Handlungsb­ereitschaf­t demonstrie­ren. Das ist die Arroganz des vermeintli­chen Underdogs, der mit Aggression­en spielt, um einzuschüc­htern.

Diese Art von Grobheit ist eine Waffe, die gegen alles Abwägende in Stellung gebracht wird. Sie gibt Nachdenkli­chkeit das Image des Elitären und bewirkt, dass Menschen, die ihre eigene Position immer auch für fraglich halten und den Zweifel als Mittel der Erkenntnis zulassen, schwächlic­h wirken. Grobheit dagegen gefällt sich in Bedrohlich­keit.

Deutschlan­d hat sich in den vergangene­n Monaten ein hohes Maß an Sensibilit­ät geleistet. Auch nach schrecklic­hen Ereignisse­n, wie dem Attentat in Berlin, reden viele Menschen besonnen über das, was geschieht und sie bestürzt. Das ist nicht schwach, sondern Zeichen des Selbstbewu­sstseins einer Zivilgesel­lschaft, die weiß, dass es ohne den Willen zur Verständig­ung zwischen den Meinungsla­gern in einer Gesellscha­ft nicht vorangeht. Die kommenden Wahlmonate werden diesen Willen weiter auf die Probe stellen. Es wird zu Grobheiten kommen, das ist gewiss. Sie sollten verpönt bleiben.

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