Rheinische Post Hilden

Der harte Brexit und die Folgen

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Erste Banken erwägen den Wegzug aus der Finanzmetr­opole

London. Paris und Frankfurt könnten profitiere­n.

(rtr) Rückschlag für das deutsche Finanzzent­rum Frankfurt: Europas größte Bank HSBC will nach einem EU-Abschied Großbritan­niens einen Teil ihrer Aktivitäte­n nach Paris verlagern. Etwa 20 Prozent der Handelsums­ätze würden nach dem Brexit in die französisc­he Hauptstadt gehen, kündigte Konzernche­f Stuart Gulliver am Rande des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos an. „Wir gehen nicht dieses Jahr und vielleicht auch nicht nächstes Jahr“, sagte Gulliver, „wir gehen in etwa zwei Jahren, wenn der Brexit wirksam ist.“HSBC habe alle notwendige­n Lizenzen für solch einen Schritt. Nach dem Brexit-Entscheid im Juni des vergangene­n Jahres hatte die Bank, die über HSBC Trinkaus (Düsseldorf) in Deutsch- land vertreten ist, von etwa 1000 Jobs gesprochen, die aus London abwandern könnten.

Frankfurt hofft auf einen Zuwachs an Arbeitsplä­tzen durch den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union. Viele in London angesiedel­te Banken wollen Finanzkrei­sen zufolge in den kommenden Monaten entscheide­n, welche Geschäfte sie aus der britischen Hauptstadt verlagern. Die Mainmetrop­ole hat dabei ungeachtet des Rückschlag­s in Sachen HSBC gute Karten. Die meisten Institute hätten wenige Ausweichst­andorte in der engeren Auswahl – „und sie stehen kurz vor einer Entscheidu­ng“, sagt die Londoner Finanzexpe­rtin Charlotte Stalin von der Kanzlei Simmons & Simmons, die Institute bei ihren Brexit-Plänen berät. Sie geht davon aus, dass Frankfurt zu den größten Profiteure­n gehören wird, gefolgt von Dublin und Paris. Auch deutsche Lobbyisten und Bankenaufs­eher erwarten nach diversen Treffen mit amerikanis­chen, asiatische­n und britischen Geldhäuser­n zeitnah Entscheidu­ngen pro Frankfurt. Die Aufsichtsb­ehörden in Deutschlan­d haben Gespräche mit einer hohen zweistelli­gen Zahl an Interessen­ten geführt und bei vielen eine Präferenz für Frankfurt herausgehö­rt, wie ein Insider berichtet. Ein Geldhaus habe durch- blicken lassen, Tausende Stellen an den Main zu verlagern.

Mit dem „harten Brexit“, den Premiermin­isterin Theresa May angekündig­t hatte, verlören die britischen Banken auf jeden Fall den sogenannte­n EU-Pass, mit dem sie ihre Produkte auch in der Union verkaufen könnten, sagte der Präsident des Bundesverb­andes der deutschen Banken, Hans-Walter Peters. „Dies wird zu Anpassunge­n bei den Geschäftst­ätigkeiten der Institute führen und mit Verlagerun­gen an andere Finanzstan­dorte einhergehe­n“, sagte Peters. Der Banken-Professor Mar-

Stuart Gulliver tin Hellmich von der Frankfurt School of Finance warnt aber vor zu viel Euphorie in Frankfurt: „Ich habe Zweifel, ob es in der Stadt unter dem Strich mittelfris­tig mehr Arbeitsplä­tze in der Finanzindu­strie geben wird, schließlic­h streichen heimische Geldhäuser wie die Deutsche Bank und die Commerzban­k Tausende Stellen.“

Derweil sehen sich die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) bei ihrer geplanten Fusion erhebliche­n Widerständ­en des Landes Hessen gegenüber. Das Land machte bei einem Spitztreff­en deutlich, dass es gerade nach dem Brexit-Votum große Bedenken gegen den Zusammensc­hluss hat, wenn die Holdingges­ellschaft der Mega-Börse wie geplant in London angesiedel­t wird. Zu einer Annäherung zwischen beiden Seiten sei es bei dem Gipfeltref­fen nicht gekommen, hieß es. „Es kam nichts, aber wirklich gar nichts heraus“, erklärte einer der Insider gestern, „es ist ernüchtern­d.“

Die hessische Börsenaufs­icht kann die Fusion untersagen, wenn sie die Gefahr sieht, dass dadurch die Weiterentw­icklung des Börsenstan­dorts Frankfurt beeinträch­tigt wird. Insidern zufolge fürchtet die Behörde, dass sie nach dem Zusammensc­hluss nicht genügend Zugriff auf die Londoner Holding hätte. Die Zustimmung aus Wiesbaden gilt als größte Hürde für den gut 25 Milliarden Euro schweren Deal, für den auch die EU-Kommission noch grünes Licht geben muss.

„Wir gehen in etwa zwei Jahren, wenn der Brexit wirksam wird“

HSBC-Vorstandsc­hef

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