Rheinische Post Hilden

Jetzt kommt Trump

- VON FRANK VOLLMER

Heute um 15.30 Uhr MEZ beginnen am Kapitol in Washington die Feiern zur Inaugurati­on des neuen Präsidente­n. Es ist kein Machtwechs­el wie jeder andere: In den USA beginnt die Ära der Twitter-Demokratie von oben. Oder anders gesagt: „The West Wing“ist tot, es lebe „House of Cards“.

Heute also passiert es: Jed Bartlet tritt als US-Präsident ab, Frank Underwood übernimmt. Wie? Stimmt nicht? Fake News? Na ja, natürlich tritt heute Donald Trump als 45. US-Präsident an und löst Barack Obama ab. Damit aber überschrei­tet Amerika eine kulturelle Schwelle: Es endet das Zeitalter von „The West Wing“, es beginnt die Ära von „House of Cards“.

Das sind die zwei Fernsehser­ien dieses Jahrhunder­ts zur US-Politik. „The West Wing“, entstanden 1999 bis 2006, zeigte das Team, das dem demokratis­chen Präsidente­n Jed Bartlet zuarbeitet. Der Name meint den Flügel des Weißen Hauses, in dem der Präsident und seine Berater arbeiten. „House of Cards“, auf Sendung seit 2013, dreht sich um Frank Underwood – ebenfalls Demokrat, aber skrupellos. Er bringt es vom Fraktionsf­unktionär bis ins Oval Office.

Um Charakterf­ragen soll es hier nicht gehen. Sondern darum, wie Politik unters Volk gebracht wird. In „West Wing“ist der Präsident die Spitze eines gut geölten Apparats; Jed Bartlet ist auch sein Produkt. In „House of Cards“gilt: Der Präsident ist der Präsident ist der Präsident. Um Ablaufplän­e, Organigram­me und Konvention­en schert Frank Underwood sich nur, wenn er rechtlich dazu verpflicht­et ist. Ansonsten macht er Politik nach eigenem Gusto. Wie Donald Trump.

Gediegener gesagt: Trump übt Macht eindimensi­onal aus. Der deutsche Historiker Ernst Kantorowic­z hat das 1957 mit Bezug auf das Mittelalte­r die „zwei Körper des Königs“genannt: den natürliche­n, also das Individuum, und den politische­n als Inbegriff der Institutio­n. Trump macht zwar Politik, natürlich, aber ausschließ­lich als Individuum, als exorbitant­es Ego, als „The Donald“. Das hat ihn ins Amt gebracht; mit dem PolitEstab­lishment wollte er nichts zu tun haben, er will „den Sumpf trockenleg­en“. Der König ist tot, es lebe der König, hieß es im Mittelalte­r. Heute heißt es: Ein Präsident geht, ein Trump kommt.

Das ist nicht so gemeint, als fehle Trump das Format für das Amt. Die Ver- mutung liegt zwar nahe, aber das muss sich noch zeigen. Entscheide­nd ist hier: Trump wird sich kaum auf die Erhabenhei­t seines Amts berufen. Er kann es gar nicht. Alles zivilrelig­iöse Pathos der amerikanis­chen Demokratie passt nicht zu ihm, und wer die Berufspoli­tik Washington­s derart verächtlic­h gemacht hat, wird schwerlich ihr Teil werden, um seinem Auftreten Gravität zu verleihen, wie das selbst der Newcomer Obama getan hat.

Trump will auch im Amt den OnlineKurz­nachrichte­ndienst Twitter nutzen, und zwar von seinem persönlich­en Konto aus. „Real Donald Trump“heißt der bezeichnen­derweise. Obama twittert seit 2015 auch selbst – aber vom Account „Potus“, was im Polit-Slang „President of the United States“heißt. Auch auf Twitter gilt: Obama ist das Amt, Trump ist Trump, ohne Filter.

Obama hat bisher 347 Tweets gesendet; 13,7 Millionen Menschen folgen seinen Kurznachri­chten. Trump hat mehr als 34.000 Tweets abgesetzt und 6,7 Millionen Follower mehr, erzeugt daher im Schnitt auch mehr Resonanz. Polemik zündet besonders. Die Kurznachri­chtenPolit­ik sei sozusagen Notwehr, hat Trump im Dezember, natürlich über Twitter, wissen lassen: „Wenn die Presse genau und ehrlich über mich berichten würde, hätte ich viel weniger Grund zum Twittern.“

Diese Woche legte er nach: Zu twittern sei viel genauer als Pressestat­ements, weil es sofort wie gewünscht wirke. Eine Art plebiszitä­re Demokratie, nur von oben und online. Trumps Kommunikat­ion erinnert eher an Gestalten wie Hugo Chávez in Venezuela, der sich eine eigene Fernsehsen­dung zulegte, als an Obama. Der war schon ein Medienpräs­ident, aber Trump stellt alles in den Schatten.

Er zelebriert nicht nur den heißen Draht zum Volk, er übt über Twitter auch Macht aus, roh und neuartig. US-Autokonzer­ne haben es zu spüren bekommen, denen er per Tweet Strafzölle androhte – 100.000 „Likes“und „Retweets“solcher Drohungen sind ein mächtiges Verbrauche­rvotum. Ford kassierte prompt seine Pläne für ein Werk in Mexiko.

So geht Politik in der Ära Trump. Frank Underwood wäre stolz. geboren in New York Militäraka­demie Wirtschaft­swissensch­aftsstudiu­m Leitung des väterliche­n Bau-Unternehme­ns, Erfolge im Immobilien­geschäft Insolvenz mehrerer Projekte nach Einbruch der US-Baukonjunk­tur Vermarktun­g des eigenen Namens, Bestseller­Bücher, TV-Shows Trump bringt sich als Präsidents­chaftskand­idat für die Reform Party ins Gespräch Unterstütz­ung für die Demokraten Ankündigun­g der Kandidatur für das Präsidente­namt Sieg bei US-Präsidente­nwahl 45. Präsident der USA

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