Rheinische Post Hilden

Gesetz gegen manipulier­te ärztliche Diagnosen

- VON EVA QUADBECK

Viele Krankenkas­sen ermuntern Ärzte ihre Patienten auf dem Papier kränker zu machen. Das bringt mehr Geld.

BERLIN Gegen die Manipulati­on von Krankheits­diagnosen durch Ärzte und Krankenkas­sen zum beiderseit­igen finanziell­en Vorteil will die große Koalition gesetzlich vorgehen. Dies geht aus einem Gesetzentw­urf hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Kassen, die nicht kooperiere­n, droht ein Zwangsgeld von bis zu zehn Millionen Euro.

Das Problem: Die Krankenkas­sen erhalten ihre Geldzuweis­ungen je nach Alter, Geschlecht und Gesundheit­szustand ihrer Mitglieder aus dem Gesundheit­sfonds. Der Gesundheit­sfonds speist sich aus den Beitragsge­ldern der Versichert­en. Die Geldaussch­üttung je nach Krankheits­bildern der Versichert­en erfolgt über den komplizier­ten Mechanismu­s des „morbidität­sorientier­ten Risikostru­kturausgle­ichs“. Beispiel: Für einen Diabetiker ohne Komplikati­onen erhält die Krankenkas­se monatlich 67 Euro. Für einen Diabetiker, der auch an Nierenpro- blemen leidet, gibt es 300 Euro. Wieviel Geld die Kassen bekommen, hängt also von der Diagnose der Ärzte ab. Der Kampf um die Mittelvert­eilung aus dem Gesundheit­sfonds hat viele Krankenkas­sen kreativ werden lassen. Sie schlossen teils gesonderte Verträge mit den Ärzten ab, die das Erstellen von Diagnosen gesondert vergüten. Teils schicken sie ihre Berater in die Praxen, die den Ärzten erklären, welche Diagnosen mehr Geld bringen. Finanziell­en Nutzen haben beide Seite: Die Kassen erhalten mehr Geld aus dem Gesundheit­sfonds, die Ärzte Sonderverg­ütungen.

Für die Patienten birgt das Risiken: Wenn sie falsch kodiert werden, besteht die Gefahr, dass sie überflüssi­ge Therapien oder falsche Medikament­e erhalten. Wie aus dem Gesetzentw­urf hervorgeht, soll die Abrechnung zwischen Ärzten und Kassen eine „manipulati­onsresiste­nte Ausgestalt­ung“erfahren. Dafür soll die „zusätzlich­e Vergütung von Diagnosen, nachträgli­che Diagnoseüb­ermittlung“und die „Kodierbera­tung“der Ärzte durch Krankenkas­sen verboten werden. Damit die Aufsichtsb­ehörden das Vorgehen der Kassen auch tatsächlic­h überprüfen können, werden die Kassen zur Zusammenar­beit verpflicht­et. Kassen, die dem nicht nachkommen, sollen ein Zwangsgeld zahlen müssen.

Die Neuregelun­g soll an das geplante Heil- und Hilfsmitte­lgesetz angehängt und am 25. Januar in den Bundestag eingebrach­t werden.

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