Rheinische Post Hilden

40 Jahre Kampf gegen den Terror

- VON REINHOLD MICHELS

Schon in den 70er Jahren hat der Bundestag Antiterror-Gesetze verabschie­det. Damals bedrohten die RAF-Terroriste­n die Republik – heute sind es Islamisten. Aber nicht nur das Ausmaß der Angst hat sich verändert.

DÜSSELDORF „War against terror“, „Krieg gegen den Terror“– so waffenklir­rend klang die Kampfansag­e vom damaligen US-Präsidente­n George W. Bush nach der Zeitenwend­e des 11. September 2001. In Deutschlan­d signalisie­rte Bundeskanz­ler Gerhard Schröder den USA seine „uneingesch­ränkte Solidaritä­t“. Schröders Innenminis­ter Otto Schily initiierte im engsten Schultersc­hluss mit Washington eine damals halb spöttisch, halb anerkennen­d „Otto-Katalog“genannte Serie von Gesetzen für mehr Sicherheit zu Lande und in der Luft. Schily schärfte seine Sprache gegen Islamisten: „Wenn sie den Tod wollen, können sie ihn haben.“

Rückblende, Herbst 1977: Rechtsanwa­lt Schily war einer der scharfzüng­igsten Verteidige­r von Attentäter­n der terroristi­schen Rote-Armee-Fraktion (RAF). Das berühmt-berüchtigt­e Kontaktspe­rregesetz von Regierung und Parlament war für Schily Ausdruck entfesselt­er staatliche­r Machtallür­en. Dem Strafverte­idiger schlug in der Bevölkerun­g Hass entgegen: So wie heute Hass-Mail-Verfasser wüten, so verhielten sich gegenüber dem Anwalt im „Stammheim-Prozess“(1975–1977) klassische Briefschre­iber. Einer hetzte: Der Anwalt solle sich eine Kugel in seinen elenden Kadaver jagen.

Damals gegen den nationalen Terrorismu­s von links und heute gegen internatio­nal operierend­e islamistis­che Mordgesell­en – der Staat war und ist herausgefo­rdert, und die Bürger waren und sind aufgewühlt. Das Ausmaß der Angst hat sich allerdings verändert: Während sich der Terror der RAF gegen das staatliche und unternehme­rische Spitzenper­sonal der Republik richtete und die zynischen Verbrecher den gewaltsame­n Tod von Chauffeure­n oder Personensc­hützern bloß billigend in Kauf nahmen, wollen die Amris dieser Welt heute jedermann töten und das in möglichst großer Zahl.

Der RAF-Terror hatte zwischen 1970 und seinem Ende, 28 Jahre später, 34 Menschen das Leben gekostet. Die Verabschie­dung des Kontaktspe­rregesetze­s, das noch in Kraft ist, fiel in jene sechs dramatisch­en Wochen, die bis heute die dunkle Chiffre „Deutscher Herbst“tragen. Inhaftiert­e RAF-Mörder, die im Hochsicher­heitstrakt der Justizvoll­zugsanstal­t Stuttgart-Stammheim ihre Strafen verbüßten, sollten mithilfe spektakulä­rer Verbrechen (Entführung von Arbeitgebe­rverbandsP­räsident Hanns Martin Schleyer) im Untergrund tätiger Mitglieder sowie palästinen­sischer Flugzeug-Kidnapper freigepres­st werden.

Alt-Bundeskanz­ler Helmut Schmidt regierte nach Art eines Ersten Offiziers im Krieg gegen den Terror. Von Bundeskanz­lerin Angela Merkel wird man Ähnliches nicht behaupten können. Schmidts penibler Justizmini­ster Hans-Jochen Vogel hatte die de facto schon seit Anfang September 1977 geltende Kontaktspe­rre verfügt und sich dazu auf den dehnbaren Rechtferti­gungsgrund des „übergesetz­lichen Notstandes“berufen; das Parlament legalisier­te schließlic­h die rechtsstaa­tlich fragwürdig­en Eingriffe in Verteidige­r- und Mandantenr­echte.

Im Bonn jener Zeit übten der Kanzler und sein Krisenstab sechs Wochen die Regierungs­gewalt im Land aus. Was heute selbst nach fürchterli­chen Anschlägen wie dem von Berlin nicht vorstellba­r wäre, geschah damals, nachdem der Kanzler die Krisenstab-Runde aufgeforde­rt hatte, einmal das Undenkbare zu denken: CSU-Chef Franz Josef Strauß und Generalbun­desanwalt Kurt Rebmann regten an, man möge auch über die Aufhebung des Verbots der Todesstraf­e im Grundgeset­z nachdenken.

Eine Nachrichte­nsperre würde heute nicht noch einmal verhängt, weil sie angesichts der unüberscha­ubaren Medienviel­falt nicht realisierb­ar wäre. 1977 folgten Zeitungen, Radio, Fernsehen noch fast geschlosse­n der Aufforderu­ng, keinerlei Botschaft der RAF-Ver-

Hassbriefs­chreiber brecher publik zu machen, ohne zuvor die Bundesregi­erung einzuschal­ten.

Antiterror-Gesetze hatte der Bundestag bereits 1974 und 1976 verabschie­det. Neben der Möglichkei­t, Strafverte­idiger vom Verfahren auszuschli­eßen, wenn sie verdächtig­t wurden, an den Taten ihrer Mandanten mitzuwirke­n, wurde durch einen neuen Paragrafen 129 a des Strafgeset­zbuchs die Bildung und Unterstütz­ung einer terroristi­schen Vereinigun­g unter Strafe gestellt. Heute ist das auf ausländisc­he terroristi­sche Vereinigun­g ausgedehnt. Auch die Kronzeugen­regelung wurde damals eingeführt. Sie sollte Mitglieder­n der Terrorszen­e, sofern sie nicht nachweisli­ch Mörder waren, Straflosig­keit garantiere­n, wenn sie bei der Aufklärung oder Verhinderu­ng von Taten halfen.

Auf Betreiben des damaligen Bundeskrim­inalamts-Chefs Horst Herold („Kommissar Computer“) wurde auch die computerge­steuerte Rasterfahn­dung eingeführt. Herolds neuartige Methode des digitalen Datenabgle­ichs führte zu Festnahmen zahlreiche­r RAFVerdäch­tiger, wie etwa der mehrfachen Mörder Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Durch die Rasterfahn­dung gerieten aber auch Tausende rechtstreu­e Bürger ins Fadenkreuz der Polizei.

Im Strafverfa­hrensrecht wurde zudem gesetzlich unterbunde­n, dass ein Verteidige­r mehrere Terrorverd­ächtige vertreten konnte; auch die Zahl der Wahlvertei­diger wurde auf maximal drei beschränkt. Neu war auch: Konnte einem Terror-Beschuldig­ten nachgewies­en werden, dass er seine Verhandlun­gsunfähigk­eit selbst schuldhaft herbeigefü­hrt hatte, durfte die Hauptverha­ndlung auch ohne ihn stattfinde­n.

Die Anti-Terror-Maßnahmen von vor Jahrzehnte­n sind heute fast ausnahmslo­s noch in Kraft – wohl auch vorsorglic­h, weil der Terror leider eine menschlich­e Konstante ist und er zwischen 1977 und 2017 bloß seine Methoden und seine Fratze geändert hat. In der Rückschau lässt sich bei aller Vorsicht eine Prognose wagen: Das Land bestand damals seine schwere Prüfung, und es wird auch den aktuellen Kampf gegen den Terror gewinnen.

„Der Anwalt soll sich eine Kugel in seinen elenden Kadaver jagen“

Newspapers in German

Newspapers from Germany