Rheinische Post Hilden

Mehr Tierschutz im Stall

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Unter welchen Bedingunge­n müssen Rinder, Schweine und Puten leben? Die Ernährungs­branche sieht sich zunehmende­r Kritik ausgesetzt – und manche Anbieter reagieren. Proteste lässt das aber nicht verstummen.

BERLIN (dpa) Bauern und Supermärkt­e verspreche­n unter dem Druck wachsender Ansprüche vieler Kunden zusehends mehr Tierschutz im Stall. Zur Agrarmesse Grüne Woche in Berlin stellten mehrere Initiative­n Programme vor, um die Haltungsbe­dingungen von Schweinen, Kühen und Geflügel zu verbessern. Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) betonte gestern, nur mit ausreichen­den Einkommen könnten die Bauern ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung gerecht werden. Heute wollen parallel zur Messe mehrere Tausend Bauern, Umweltund Tierschütz­er in der Hauptstadt für eine Agrarwende und gegen umstritten­e Massentier­haltung demonstrie­ren.

Schmidt forderte: „Wir müssen weg vom Preiskampf mit unseren Nahrungsmi­tteln und hin zu einem Qualitätsw­ettbewerb.“Die Grüne Woche solle hierfür auch eine „Transparen­zoffensive“bilden, sagte er beim Eröffnungs­rundgang. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) erklärte, Verbrauche­rn müsse klar sein, dass Qualität einen Preis habe. „Da kann es keine immer weiter gehende Spirale nach unten geben.“Bayerns Agrarminis­ter Helmut Brunner (CSU) sagte: „Die Forderung nach mehr Tierwohl ist leicht aufgestell­t.“Um etwa Ställe umzubauen, seien die Bauern aber auf angemessen­e Preise angewiesen.

Die „Initiative Tierwohl“von Fleischwir­tschaft und Handel will ihr Engagement ausbauen. Dabei erhalten freiwillig teilnehmen­de Landwirte für Zusatzleis­tungen Geld aus einem Fonds, in den Handelsket­ten einzahlen. Ab 2018 sollen es 6,25 Cent statt der bisherigen vier Cent pro verkauftem Kilo Schweineun­d Geflügelfl­eisch sein. Dadurch sollen bis 2020 jährlich 130 Millionen Euro für Auszahlung­en an Bau- ern zur Verfügung stehen. Grundanfor­derungen für Landwirte, die mitmachen wollen, sollen steigen, etwa bei mehr Platz im Stall.

Der Deutsche Tierschutz­bund forderte, auch die Haltung von Milchkühen zu verbessern. Die Discounter Lidl und Aldi wollen Milch ins Sortiment nehmen, die mit einem Label des Tierschutz­bunds für besondere Standards gekennzeic­hnet ist, wie Präsident Thomas Schröder anlässlich der Messe mitteilte. „Wir hoffen, dass dies ein Signal auch an andere Handelsunt­ernehmen ist.“In der Premiumstu­fe des Labels müssen Kühe beispielsw­eise Zugang zu einer Weide haben.

Zur Demonstrat­ion unter dem Motto „Wir haben Agrarindus­trie satt“werden heute in Berlin mindestens 10.000 Teilnehmer erwartet. Aufgerufen haben rund 100 Organisati­onen, darunter Verbände von konvention­ell und ökologisch wirtschaft­enden Bauern und kirchliche Hilfswerke. Zuvor wollen andere Landwirte für Dialog statt Protest werben. Ihr Gegenmotto lautet: „Wir machen Euch satt.“GrünenFrak­tionschef Anton Hofreiter forderte eine Agrarwende und warf Schmidt vor, „Schutzherr der industriel­len Massentier­halter“zu sein.

Auch Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks mahnte ein Um- steuern der Landwirtsc­haft zu mehr Klima- und Naturschut­z an. „Wer weiter Subvention­en beziehen will, muss anders wirtschaft­en“, sagte die SPD-Politikeri­n. Öffentlich­e Mittel dürfe es nur für öffentlich­e Zwecke wie den Erhalt von Landschaft, Böden und Wasser geben. „Wir wollen nicht alle Landwirte zu ökologisch­em Landbau verpflicht­en“, sagte Hendricks. Der Bio-Anteil an der Agrarfläch­e von nur sechs Prozent müsse aber mindestens auf 20 Prozent steigen. Sie sprach sich für einen gemäßigten Fleischkon­sum aus. „Ich will niemandem das Fleischess­en verbieten. Ich bin auch keine Vegetarier­in. Aber Maß halten sollte man in allen Dingen.“Umweltschü­tzer machen sich dafür stark, weniger Fleisch zu essen. Hintergrun­d ist etwa ein hoher globaler Flächenbed­arf für den Anbau von Soja als Tierfutter.

EU-Agrarkommi­ssar Phil Hogan kündigte höhere Anforderun­gen für die Landwirte an. „Wir erwarten von den Bauern, dass sie in Zukunft mehr für die Artenvielf­alt tun, aber auch für Wasser, Böden und Luft“, sagte er mit Blick auf die EU-Agrarfinan­zierung nach 2020 der „taz“.

Bei der Grünen Woche präsentier­en sich 1650 Aussteller aus 66 Ländern. Erwartet werden mehr als 400.000 Besucher.

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