Rheinische Post Hilden

Wiener Wettlauf gegen die Zeit

- VON KATHARINA MEHLES

Im „Tatort“müssen Eisner und Fellner einen erweiterte­n Suizid verhindern. Ein solider Fall für die treuen Fans der Krimireihe.

WIEN Ein junger Mann kündigt via Internet an, dass er seine Mutter, seinen Vater und anschließe­nd sich selbst töten wird. Der Auftrag für Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) im Tatort „Schock“am Sonntag: Sie sollen die Tat verhindern.

Medizinstu­dent David Frank (Aaron Karl) betont in seinen InternetVi­deos immer wieder, wie normal er sei. Tatsächlic­h kommt er aus gutem Haus, der Vater ist renommiert­er Wissenscha­ftler, die Mutter StarAnwält­in. Auf den ersten Blick steht dem 22-Jährigen die Welt offen. Doch jetzt sind die Eltern verschwund­en, der Sohn schickt via Internet Video-Botschafte­n an die Wiener Polizei.

Auf der Suche nach dem jungen Mann und seinem Motiv stoßen Eisner und Fellner auf die Soziologie­Dozentin Sarah Adler (Mercedes Echerer). Sie prangert den Leistungsd­ruck auf die junge Generation an, die gleichzeit­ig nur kleine Zukunftspe­rspektiven habe. Für Eisner wird der Fall persönlich, als die Ermittler auf ein Netzwerk radikaler Aktivisten stoßen, zu denen auch Kerem Sami Shafka (Mehmet Sözer) gehört – der Freund seiner Tochter Claudia (Tanja Raunig). Oberstleut­nant Eisner reagiert wütend und zunächst auch mit wenig Verständni­s für die Probleme der jungen Leute. „Wir sind die Pflichterf­üller-Generation“, sagt Tochter Claudia. Professori­n Adler nennt sie die Generation Y: gut ausgebilde­t, leistungss­tark und trotzdem millionenf­ach arbeitslos. Es scheint viele zu geben, die unter den Verhältnis­sen leiden. Medizinstu­dent David Frank haben sie offenbar gänzlich verzweifel­n lassen. Der Aktivismus an der Uni im Tatort weckt Erinnerung­en: „Seid ihr die vierte Generation der RAF?“, fragt Bibi Fellner und meint damit nicht nur die auffällig rote Strumpfhos­e, die die ansonsten unauffälli­ge Soziologie-Professori­n Adler in trüber Kulisse trägt.

„Schock“von Regisseur und Drehbuchau­tor Rupert Henning ist solide Krimiunter­haltung, wie sie sich viele treue Zuschauer vom „Tatort“am Sonntagabe­nd wünschen: Der Fall ist spannend, hat ein furioses Finale und wirft ein Schlaglich­t auf gesellscha­ftliche Probleme. Eine echte Entdeckung ist Aaron Karl, Sohn des österreich­ischen Schauspiel­ers Fritz Karl („Sisi“, „Männerherz­en“). Er spielt den David Frank so konsequent smart und als Jungen von nebenan, dass es einen gruselt.

Es macht Spaß, den beiden Ermittlern bei der Arbeit zuzusehen. Wie ein altes Ehepaar stellen sie sich gegenseiti­g immer wieder in Frage, halten dabei aber immer zusammen und bauen sich gegenseiti­g auf.

Den Fall können die Kommissare lösen, die Probleme der Generation Y bleiben. Auf den moralische­n Zeigefinge­r verzichten die Ermittler dankenswer­terweise. „Ich fahr jetzt zu meiner Tochter, das ist auf alle Fälle nicht falsch“, sagt Moritz Eisner zum Schluss schlicht. „Tatort: Schock“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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