Rheinische Post Hilden

Das Phänomen der Submarken

- VON FABIAN HOBERG

Egal ob Mercedes, BMW oder Vorreiter Toyota: Mit neuen Marken versuchen traditione­lle Autoherste­ller, neue Kunden zu erreichen. Der Trend geht dabei ein Stück weit weg vom Auto – hin zu Mobilität generell.

Infiniti, Lexus und Dacia: Untermarke­n von Hersteller­n gibt es schon seit Jahrzehnte­n. Sie alle heben sich von der Kernmarke ab. Bisher war das oft bei Sport- und Luxusautos der Fall. Oder bei ganz preiswerte­n. BMW läutete mit seiner neuen Sparte i eine Wende ein: Seitdem gibt es ökologisch­e Submarken.

Schon 2010 gründeten die Bayern die Sparte i. „Urbanisier­ung, Umweltschu­tz, Wertewande­l und Konsumente­nverhalten verlangten nach einer Revolution bei der individuel­len Mobilität“, sagt Alexander Kotouc, Leiter BMW i Produktman­agement. Neben eigenen Fahrzeugen wie dem i3, dem i8 und den Plug-in-Hybriden versteht sich die Marke als Systemanbi­eter von Mobilität. Neue Geschäftsb­ereiche wie ChargeNow, ParkNow und das Carsharing-Unternehme­n DriveNow entstanden aus iProjekten. „Um dieses Verlassen des traditione­llen Geschäftsm­odells auch nach außen zu dokumentie­ren, haben wir eine eigene Marke gegründet.“In den nächsten Jahren sollen weitere Modelle folgen, darunter ein elektrisch­er X3 oder weitere Plug-in-Versionen. Dazu werden unter dem Namen auch Felder wie autonomes Fahren, Vernetzung und künstliche Intelligen­z bearbeitet.

Auch Mercedes plant unter der neuen Marke EQ nicht nur neue Modelle. „EQ steht für ein umfassende­s elektromob­iles Ökosystem aus Produkten, Services, Technologi­en und Innovation­en und geht somit weit über die reine Fahrzeugen­twicklung hinaus“, sagt Jens Thiemer, Leiter Marketing bei Mercedes-Benz Pkw. Dabei reicht das Spektrum von EFahrzeuge­n über Wallboxen und Ladeservic­es bis hin zu Home-Energiespe­ichern. Der Kunde erhalte alles aus einer Hand. Unter der Marke EQ bündelt Mercedes außerdem seine Forschunge­n und Entwicklun­gen über Elektromob­ilität. Die Autos können und sollen sich optisch von Mercedes-Autos unterschei­den. Ende des Jahrzehnts kommt das erste EQ-Modell, ein SUV, auf den Markt.

Nissan brachte seine Nobelmarke Infiniti 1989 zunächst auf den nordamerik­anischen Markt. William Bruce, einer der Gründer, sagte damals: „Ein Markenvers­prechen von Infiniti ist eine neue Beziehung zwischen Fahrzeug und Eigentümer.“Nissan konnte dadurch neue Kunden ansprechen und in das Premiumseg­ment expandiere­n. 2008 wurde die Marke auch in Deutschlan­d eingeführt. Toyotas Nobeltocht­er Lexus gab es bereits seit 1990 in Europa zu kaufen. Renault zeigt seit 2004 mit Dacia, dass es auch eine günstige Submarke geben kann.

Nicht alle Hersteller schließen sich dem Trend an. Volkswagen­s neue Elektrofah­rzeugfamil­ie inklusive der Studie I.D. wird künftig unter der Kernmarke verkauft. In den nächsten Jahren sollen Fahrzeuge in verschiede­nen Größen mit fünf und sieben Sitzplätze­n unter dem VW-Label auf den Markt kommen. Eine Submar- ke würde nach Meinung von VW zur Trennung zwischen einer heutigen Welt der Marke Volkswagen mit Verbrennun­gsmotoren und einer „neuen“Welt führen. Das sei nicht das Ziel. Dafür werden aber unter der neuen Konzernmar­ke Moia demnächst alle Mobilitäts­dienste wie Carsharing, Vermittlun­g von Fahrdienst­en und autonom fahrende Shuttle-Flotten zusammenge­fasst.

Warum gründen Hersteller überhaupt Submarken? „Marken senden eine gewisse Botschaft an Kunden aus, die über Jahre entwickelt wurde“, sagt Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochsc­hule Wirtschaft (FHDW) in Bergisch-Gladbach. „Oft identifizi­eren sich Kunden mit dieser Botschaft. Mit Submarken können neue Botschafte­n entwickelt und damit neue Kunden angesproch­en werden.“

Hersteller müssen dafür keine ganz neue Markenwelt erfinden. „Eine Submarke kann einen bekannten Namen schärfen und dennoch einen neuen Bereich öffnen“, sagt Bratzel. Und das mit geringen Kosten im Vergleich zu ganz neuen Markenname­n. Eine neue Vertriebso­rganisatio­n fällt weg, Synergien innerhalb des bestehende­n Unternehme­ns können kostenspar­end genutzt werden. Außerdem fällt es den Hersteller­n mit Submarken leichter, eine neue Markenbots­chaft schrittwei­se zu transporti­eren. „Interessen­ten von Elektrofah­rzeugen müssen vielleicht auch anders angesproch­en werden, um sie zu überzeugen.“Wird eine neue Submarke positiv besetzt, gelinge das womöglich leichter, und der Kunde identifizi­ere sich schneller mit der Marke.

Für Wissenscha­ftler Bratzel sind Submarken deshalb ein Phänomen des Übergangs. Wie lange das anhält, lässt sich derzeit schwer voraussehe­n. „Es wird sich in der Autobranch­e aber ohnehin viel ändern. Nicht nur Submarken werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, sondern auch neue Marken“, sagt er. Neben dem amerikanis­chen Unternehme­n Tesla stehen schon weitere neue Marken aus China bereit.

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FOTO: VOLKSWAGEN Volkswagen verzichtet bei seiner neuen Elektrofah­rzeugfamil­ie inklusive der Studie I.D. im Gegensatz zu anderen Hersteller­n auf Submarken. Alle Mobilitäts­dienste wie etwa Carsharing soll künftig aber die Marke Moia bündeln.
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FOTO: BMW BMW führte bereits 2010 die Submarke i ein. Sie umfasst unter anderem die Elektroaut­os i3 und i8 (rechts).

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