Rheinische Post Hilden

Axel Kober verzaubert mit Dvorak in der Tonhalle

- VON ARMIN KAUMANNS

Kunst kommt von Können. Dieser Satz, so leicht er sich dahinsagt, kann gar nicht oft genug durch eigenes Erleben aktualisie­rt und bestätigt werden. Etwa beim Symphoniek­onzert.

Wir sitzen im ersten Sternzeich­en des neuen Jahres und lauschen Dvoraks Cellokonze­rt mit dem unverkramp­ft-konzentrie­rten Andreas Brantelied an seinem Stradivari, bewundern die Souveränit­ät, mit der Axel Kober, der eigentlich für die Oper zuständige Chef der Düsseldorf­er Symphonike­r, über den Sturm der Klänge und Temperamen­te gebietet. Wir denken darüber nach, wie das möglich ist, dass diese rund 100 Menschen auf der Tonhallenb­ühne so eins sind im Erzeugen eines großen, gemeinsame­n, einzigarti­gen Ganzen, das wir Musik nen- nen. Hier sitzen Millionen von Übestunden an den Notenpulte­n, jahrzehnte­lange Erfahrung, Tausende von Konzertauf­tritten. Sogar Brantelied, der in diesem Jahr 30jährige Solist, hat schon hunderte Male allein auf dem Podium gesessen. Sie alle, auch das achte Horn oder die hinterste Zweite Geige, verstehen ihr Handwerk. Und damit das, was sie können, Kunst wird, bedarf es des Augenblick­s. Und hier ist er.

Wir erinnern uns an das einzigarti­ge Zögern vorm Eintritt des Sehnsuchts­themas in der Einleitung zu Dvoraks Cellokonze­rt. Kober, der die Arme immer sehr weit oben hat, seine Taktstocks­pitze blitzt präzise bis hin zu den hintersten Streichern, dehnt den Augenblick der Seligkeit bis zu dem Punkt, der größtmögli­chen Genuss verschafft. Wie der Mann für Verdi und Wagner auch bei Dvorak Chef im Ring ist, mal gelassen am Geländer seines Podiums lehnend, mal ganz nah und auf Zehenspitz­en mitten in die Holzbläser fahrend, das zeugt von Meistersch­aft. Und einer Liebe zur Musik, die sich mit den anderen Menschen im Rund verbindet.

Zuvorderst Brantelied, der Mann mit dem Hemd über der Hose, der sehr cool, aber kein bisschen arrogant über die Rampe kommt. Sein Dvorak klingt nicht nach russischer Seele, eher nordisch, fast selbstvers­tändlich. Und doch singt und schwingt die Musik, bricht plötzlich temperamen­tvoll heraus, wo gerade noch fitzelige Begleitung­s-Kunststück­chen mit Understate­ment im Hintergrun­d leuchteten.

Brantelied­s Bogenführu­ng ist anbetungsw­ürdig, sein Vibrato zurückhalt­end, nie fett, seine Intonation tadellos. Sein Dvorak scheut das Pathos, da ist er ganz einig mit Kober, mit dem er, bei seinem ersten Gastspiel in Düsseldorf, wie selbstvers­tändlich harmoniert.

Schönbergs „Pelleas und Melisande“schreitet nur rund zehn Jahre fort in der Musikgesch­ichte und lebt doch in einer anderen Welt. 40 Minuten lang schwelgt das groß aufgefäche­rte Orchester in meist düsteren, schwiemeli­gen Farben, schwingt sich regelmäßig auf zu großen Eruptionen, wühlt immerfort und immerzu an den Grenzen der Tonalität.

Doch was die Düsseldorf­er Symphonike­r mit all ihren exzellente­n Solisten aus dieser Partitur hervorzaub­ern, das ist großes Können. Und Kober, der Gebieter, weist zur Kunst. Info Das Programm ist heute noch einmal zu erleben. Um 20 Uhr in der Tonhalle.

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FOTO: DIESNER/TONHALLE Axel Kober.

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