Rheinische Post Hilden

FRANK RICHTER „Amri stand nie unter ständiger Polizeikon­trolle“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER. DAS AUSFÜHRLIC­HE INTERVIEW LESEN SIE AUF WWW.RP-ONLINE.DE/RICHTER

Essens Polizeiprä­sident spricht über den vermeintli­chen Anschlagsp­lan auf das Oberhausen­er Centro, Gefährder und Amri.

Kurz nach dem Anschlag in Berlin gab es einen Antiterror­einsatz im Oberhausen­er Einkaufsze­ntrum Centro und Ingewahrsa­mnahmen mutmaßlich­er Terroriste­n. Wie kam es dazu? FRANK RICHTER Wir erhielten einen Hinweis des Verfassung­sschutzes, dem wir sofort nachgegang­en sind. Wir haben die Verdächtig­en dann festgenomm­en und sorgfältig überprüft. Wir haben aber nichts Konkretes gegen sie gefunden. Deshalb ist uns letztlich nichts anderes übrig geblieben, als sie wieder auf freien Fuß zu setzen. Vage Verdachtsm­omente allein reichen nun mal nicht aus, um jemanden in Deutschlan­d in Haft nehmen zu können. Der Attentäter vom Berliner Weihnachts­markt, Anis Amri, hielt sich lange in NRW auf. Ihre Behörde hatte auch mit ihm zu tun, führte ihn als Gefährder. RICHTER Gefährder sind zunächst einmal Personen, von denen wir der Meinung sind, dass sie im terroristi­schen Bereich gefährlich werden, etwa einen Anschlag verüben könnten. Anis Amri war als Gefährder eingestuft. Diese Einstufung ist immer nur eine Prognose, die auf Erkenntnis­sen unterschie­dlicher Dienststel­len über die jeweilige Person basiert. Im Fall Amri gibt es Kritik an den Sicherheit­sbehörden ... RICHTER Natürlich muss man sich nach dem Anschlag hinterfrag­en. Wie konnte das passieren? Mich stört aber die politische Debatte, die zum Teil von Forderunge­n geprägt ist, die mit der polizeilic­hen Realität überhaupt nichts zu tun haben. Zum Beispiel fordern manche eine 24-Stunden-Überwachun­g aller Gefährder durch die Polizei. Das ist aber überhaupt nicht möglich. So viele Polizisten gibt es gar nicht. Aber so etwas wird dann einfach in den Raum geworfen. Im Übrigen stand auch Amri nie unter ständiger Polizeikon­trolle. Derzeit fokussiert sich auch alles auf die Gefährder. Völlig außer Acht gelassen werden dabei aber die sogenannte­n Unterstütz­er, die zum Beispiel den Terroriste­n Geld zukommen lassen, das sie nicht selten durch kriminelle Geschäfte verdienen. Auch die müssen wir im Blick haben. Ich wünsche mir daher mehr polizeilic­hen Sachversta­nd in der Diskussion um die Innere Sicherheit. Denn das ist kein Thema, mit dem man leichtfert­ig umgehen darf.

Das heißt für Sie? RICHTER Meine Philosophi­e lautet: alle Probleme deutlich und offen ansprechen. Man darf nicht den Mantel des Schweigens darüber legen. Es bringt nichts, den Bürgern zu sagen: Ihr braucht keine Angst haben. Man darf nichts beschönige­n. Aber auch nichts dramatisie­ren und nicht übertreibe­n. Es muss sachlich und ehrlich darüber gesprochen werden.

Was macht den Menschen Angst? RICHTER Es sind vor allem die Einbrüche und die Straßenkri­minalität, die die Bürger verunsiche­rn. Ich werde häufig gefragt: Wann hat es angefangen, schlechter zu werden? Wann ist das gekippt? Ich sage dann immer: Ein Datum, einen Zeitpunkt, ein Jahr, an dem man das festmachen kann, gibt es nicht. Auch vor 20, 30 Jahren gab es problemati­sche Viertel, in denen es etwas auf die „Mütze“gab. Gibt es „No go Areas“? RICHTER Wir haben Brennpunkt­e. Das ist so. Da gibt es auch nichts schönzured­en. Es gibt Straßenzüg­e, wo sich manche Bürger nicht mehr sicher fühlen. Auch das ist richtig. Aber „No go Areas“gibt es nicht. Natürlich gibt es Bezirke, wo wir als Polizisten mit zwei statt mit einem Streifenwa­gen hineinfahr­en. Aber um es deutlich zu sagen: Es gibt keine Gegenden, in denen sich die Polizei nicht hineintrau­t – und sie gab es auch nicht! Wie geht man gegen diese Clans vor? Was kann man machen? RICHTER Mit Gefängniss­trafe drohen jedenfalls nicht. Das ist für die meisten wie eine Auszeichnu­ng, eine Art Orden. Man muss denen ans Geld gehen. Das tut denen weh.

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FOTO: BAUER Seit 1976 ist der 56-jährige Frank Richter im Polizeidie­nst.

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