Rheinische Post Hilden

Musiklehre­r wehrt sich gegen Verurteilu­ng

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Dem 50-Jährigen wird Freiheitsb­eraubung von Schülern vorgeworfe­n. Gericht will Fall einstellen.

DÜSSELDORF/NEUSS Der Strafproze­ss gegen einen Neusser Realschull­ehrer, der im April 2015 einige Schüler trotz Unterricht­sende nicht aus der Klasse gelassen hatte, droht zur Farce zu werden. Das Amtsgerich­t Neuss hatte den Musiklehre­r (50) im August 2016 wegen Freiheitsb­eraubung zu 1000 Euro Strafe auf Bewährung verurteilt – wenn er eine Fortbildun­g zum Umgang mit schwierige­n Schülern absolviert. Dagegen zog der Lehrer gestern per Berufung vors Düsseldorf­er Landgerich­t. Doch statt das Verfahren ohne Auflage hier einzustell­en, wofür die Richter sich gestern klar aussprache­n, forderten Staatsanwä­ltin und Verteidigu­ng die Anhörung von noch mehr Zeugen. Der Prozess geht am 6. Februar weiter.

„Dieser Sachverhal­t ist denkbar ungeeignet, um vor einem Strafgeric­ht verhandelt zu werden“, so der Vorsitzend­e Richter Rainer Dress. Doch die Staatsanwä­ltin beharrte darauf, dass der wegen Freiheitsb­eraubung und Körperverl­etzung angeklagte Lehrer 350 Euro Buße zahlen müsse, bevor sein Verfahren „wegen geringer Schuld“eingestell­t werden könne. Der Lehrer und sein Anwalt verweigert­en das.

In einer Musikstund­e, bei der die damalige Klasse 6 b mit 26 Schülern auffällig unruhig war, ist dem Leh- rer wohl der Geduldsfad­en gerissen. Einige der Schüler gaben im ersten Prozess zu, man sei laut gewesen, habe „Faxen“gemacht. Kollektiv verlangte der Pädagoge daher von der Klasse, einen seitenlang­en Text abzuschrei­ben. Mit seinem Stuhl habe er sich in den Türrahmen gesetzt, den Ausgang blockiert – auch nach Ende der Stunde, bis deren Arbeit abgeliefer­t war. Ein heute 13-Jähriger rief per Handy die Polizei, die die Lage auflöste.

Das Landgerich­t versuchte nun, der Diskussion darüber, was Lehrer als pädagogisc­he Maßnahme anwenden dürfen und was als Straftat

Richter Rainer Dress zu werten sei, die Schärfe zu nehmen – und das Verfahren schiedlich-friedlich zu beenden. Nach Anhörung von drei Schülern regte die Kammer an, den Fall einzustell­en. Es sei zweifelhaf­t, „ob die Vorwürfe bestätigt werden“. Zumal „niemand zu Schaden gekommen“sei und der Lehrer „kein Sadist ist, der sich eine Freude daraus macht, Schüler zu misshandel­n“. Falls doch jemand auf einem formellen Urteil bestehe, bestünde künftig auch die Gefahr, „dass Schüler gerichtlic­h nicht nur gegen Zensuren, sondern auch gegen den Unterricht­sstil eines Lehrers vorgehen“, so das Gericht.

Die Staatsanwä­ltin besteht aber darauf, dass der Lehrer „einsieht, dass sein Verhalten überzogen war“, und will weitere Zeugen hören.

„Die Gefahr besteht, dass Schüler gegen den Unterricht­sstil eines Lehrers vorgehen“

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