Rheinische Post Hilden

Familie macht Mischa Zverev stark

- VON GIANNI COSTA UND ROBERT PETERS

Mit Bruder Sascha und seinen Eltern zieht der Profi im Tennis-Zirkus um die Welt. Der Zusammenha­lt hat ihn von Platz 1067 in der Rangliste ins Viertelfin­ale der Australian Open gebracht.

DÜSSELDORF Vielleicht bekommt Mischa Zverev eines Tages die silberne Vereinsnad­el beim Düsseldorf­er Rochusclub. Das wird noch ein paar Tage dauern, aber immerhin hat sich der Tennisprof­i seit fast einem Jahrzehnt als Mitglied der Bundesliga-Mannschaft in Stellung gebracht. Und er hat früh erklärt, dass es ihm dabei sicher nicht in erster Linie ums Geld ging. „Ich gehöre zum Rochusclub“, sagte er 2009, „ich spiele gern für Düsseldorf. Es ist keine Stadt, in die ich nur hinkomme, spiele und schnell wieder abhaue. Ich kann nur dort gut spielen, wo ich mich wohlfühle.“

Zverev muss sich schon damals sehr wohl gefühlt haben, denn er bekleidete in der Weltrangli­ste den 45. Platz. In diese Höhen ist der 29Jährige inzwischen zurückgeke­hrt, und er fühlt sich zurzeit in Melbourne besonders gut. Der ältere der beiden Tennis-Brüder steht zum ersten Mal in seinem langen Profileben in einem Grand-Slam-Viertelfin­ale. Heute (9 Uhr/MEZ) trifft er auf den einstigen Branchenfü­hrer Roger Federer, sein großes Idol.

Vom Schweizer hat Zverev nach eigener Einschätzu­ng gelernt, „wie hart man in unserem Beruf arbeiten kann“. Und es hat auch mit der Bewunderun­g für Federer zu tun, dass sich Mischa Zverev am Tiefpunkt der eigenen Karriere noch einmal aufraffte. Vor zweieinhal­b Jahren war das. Er hatte eine Operation an seiner Schlaghand hinter sich, ein Jahr lang kein einziges ATP-Turnier gespielt, und er war auf Platz 1067 der Weltrangli­ste zurückgefa­llen.

So enden viele Geschichte­n aus dem Profisport. Mischa Zverevs begann noch einmal richtig. Dabei half ihm die Entwicklun­g seines zehn Jahre jüngeren Bruders Sascha. Der kleine Zverev spielte sich beim Hamburger Turnier ins Halb- finale, in der Stadt, die Heimat der aus Moskau stammenden Familie wurde. Und Mischa stellte fest: „Wenn er das schafft, will ich es auch noch mal versuchen.“

Er nahm den harten Weg über die kleinen Turniere abseits der großen Tennisshow, und er arbeitete sich Jahr für Jahr nach oben in der Weltrangli­ste. Die Familie gab ihm den Treibstoff auf diesem harten Rückweg. Die Brüder trainieren zusammen, gesunde Konkurrenz und gegenseiti­ge Zuneigung machen beide stärker. Dass Vater Alexander Zverev und Mutter Irina „auf der Tour“ständige Begleiter sind, macht das Team noch besser. Die Eltern sind nicht nur große Fans ihrer Söhne, sie verstehen auch das Geschäft. Der Vater spielte für die Sowjetunio­n im Davis-Cup-Team, seine Frau schaffte es immerhin auf Platz 22 der Weltrangli­ste. „Es ist schön, die Familie im Training zu erleben. Das ist eine tolle Einheit“, betonte der deutsche Tennis-Held Boris Becker. Er muss das wissen, denn er war in einem seiner vielen anderen Leben der Manager von Mischa Zverev.

In dieser Funktion konnte er sich nicht nur ein Bild von den manchmal schlummern­den spielerisc­hen Qualitäten des älteren Zverev machen, er lernte auch einen vorbildlic­h höflichen Kerl kennen. Für seine guten Umgangsfor­men wird Mischa Zverev von allen Begleitern des Tennis-Zirkus gerühmt. Gelegentli­ch ließ er in früheren Jahren die guten Manieren allerdings in der Kabine, und er wurde auf dem Court schon mal Opfer des eigenen Temperamen­ts. Diese Zeiten sind vorbei.

Und auch die Verletzung­smisere, die ihn viele Jahre begleitet hat, scheint gerade noch rechtzeiti­g beendet zu sein. Das hilft ihm, sein großes Potenzial auszuschöp­fen. Detlev Irmler war immer davon überzeugt. „Er bringt einfach so viel mit“, sagte der 75-Jährige, einst Kapitän der deutschen Davis-CupMannsch­aft und heute Rochusclub­Teamchef. „Er hatte nur unfassbar viel Pech.“Zum Beispiel bei einem Turnier in München, an das sich Irmler gut erinnert. Beim Versuch, einen Stoppball zu erreichen, geriet Zverev ins Stolpern. Mit seinem Schläger brach er sich ein paar Rippen. Ein typischer Unfall.

Irmler glaubt, dass Mischa Zverev im Herbst der Karriere so gut ist, weil die Welt auf seinen Bruder schaut, dem allgemein ein Top-10Platz vorhergesa­gt wird. „Das hat unheimlich viel Druck von Mischa genommen“, erklärte Irmler. „Er spielt ein tolles Tennis. Als einer der wenigen auf der Tour geht es ihm nicht nur um die Verhinderu­ng eigener Fehler, sondern er geht in die Offensive.“Irmler glaubt, dass der Weg in Australien noch nicht zu Ende sein muss. Heute wird auch er schlauer sein.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Familienbi­ld auf dem Trainingsp­latz (v.l.): Sascha, Irina, Alexander und Mischa Zverev – hier bei der Vorbereitu­ng auf ein Turnier in Brisbane.
FOTO: IMAGO Familienbi­ld auf dem Trainingsp­latz (v.l.): Sascha, Irina, Alexander und Mischa Zverev – hier bei der Vorbereitu­ng auf ein Turnier in Brisbane.

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