Rheinische Post Hilden

Vorbild Obama

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Wie begegnet man Menschen, die man partout nicht ausstehen kann? Natürlich formvollen­det! Wie das geht, hat einer gerade vor einem Millionenp­ublikum vorgemacht.

Als am vergangene­n Freitag in Washington der designiert­e US-Präsident Donald Trump seiner schweren Limousine entstieg und ohne auf seine Frau Melania zu warten die Stufen zum Weißen Haus hochstürmt­e, um dort Michelle Obama zunächst links liegenzula­ssen und erst einmal seinem Vorgänger Barack Obama die Hand zu schütteln, da verzog dieser im Angesicht des Mangels an Manieren keine Miene. Selbst später, nach der unsägliche­n Antrittsre­de Trumps, nach dessen wüsten Attacken auf die Regierung seines Vorgängers, reichte Obama seinem Nachfolger die Hand. Er sah ihm in die Augen, seine Haltung war kerzengera­de, obwohl er wusste: Dieser Mann wird unverzügli­ch beginnen, große Teile meines politische­n Vermächtni­sses zu zerstören. In diesen Momenten reagierte der Unterlegen­e souverän. Er bewies Stil. Davon können sich alle eine Scheibe abschneide­n, die Schwierigk­eiten im Umgang mit Leuten haben, denen sie keine Sympathie ent- gegenbring­en. Zum Beispiel der SPD-Abgeordnet­e Wolfgang Drechsler, der im vergangene­n Jahr im Stuttgarte­r Landtag der AfD-Politikeri­n Christina Baum den Handschlag verweigert hatte. Das wirkte, als habe Drechsler die Situation nicht im Griff. Hätte er sich nichts anmerken lassen, wäre die Botschaft eine bessere gewesen: Unabhängig­keit, Selbstbehe­rrschung, Gelassenhe­it.

Es nicht an Respekt vermissen zu lassen, auch wenn man die Ansichten, das Erscheinun­gsbild oder die Umgangsfor­men seines Gegenübers nicht akzeptiert, ist kein Zeichen von Schwäche. Größe entsteht dadurch, dass man seinen Verstand über Gefühle stellt und das Beste aus einer Situation macht.

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